SPÄTMORGENERWACHEN

Lottogewinn

von Markus A. Maesel · 27.03.2023 · 3 Kommentare

Das späte Morgenlicht schimmert durch die Jalousien der beiden Dachfenster, ich räkle und strecke mich im Bett, greife zum Smartphone und schaue nach der Uhrzeit. Eine E-Mail meiner Lottogesellschaft blinkt auf. “Gewinnbenachrichtigung” steht in der Betreffzeile und schon geht bei mir das Kopfkino los. Endlich der große Millionenwurf. Wie feiere ich diesen Tag? Ganz klar: Ein Rumpsteak mit Pfefferrahmsoße, zartrosa, und zwei Rieslingschorle in der “Linde”. Die folgenden Tage Dankeskerzen anzünden in der Lourdesgrotte über dem pfälzischen Sankt Martin und in der Afrikakapelle am saarländischen Schaumberg. Daraufhin eine großzügige Spende an die Obdachlosenhilfe. Eine Woche später Flug nach Namibia, dem früheren Deutsch-Südwestafrika, weiter nach Swakopmund an die Küste, stilvoll ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte essen am alten rot-weißen Leuchtturm mit Blick auf das Meer und … Inzwischen bin ich auf meinem Lottoaccount bis zur Gewinnsumme vorgedrungen. Sechs Euro. Jäh stoppt der Film in meinem Kopf. Jetzt ganz schnell eine positive Botschaft an mich selbst senden, bevor der emotionale Absturz kommt. Sechs Euro? Super, besser als nichts. Das reicht doch, um in der “Linde” eine gut gekühlte Rieslingschorle zu genießen und noch ein Trinkgeld zu geben. Dabei ummantelt mich dann über Kopfhörer vom Smartphone her der Gesang des Swakopmunder Männergesangvereins. Ist doch alles in Ordnung. Afrika kann auch in Ludwigshafen sein.

Kategorie(n): Sonstiges und Undefinierbares