PROLOG

Was die Welt so flüstert

von Markus A. Maesel · 01.05.2008 · 1 Kommentar

Irgendwann war ich der Meinung, dass mein Blog „Weltgeflüster“ heißen müsse, als Pendant zur frontalen und uniformen Sensationsschreierei. Die URL war noch frei. Das Konzept war schnell gefunden und wurde in „Über Weltgeflüster“ formuliert. Der Weg zu einem für mich bisher unbekannten Medium war gebahnt, die Experimentierfreude geweckt. Doch gab es „Weltgeflüster“ schon als Begriff in der Literatur? Ich stöberte und stieß auf den Schweizer Lyriker Carl Spitteler (1845-1924), der seinem düsteren Weltbild im Stile griechischer Epen zum Ausdruck verhalf. In seinem rund 20000 Verse umfassenden Monumentalwerk „Olympischer Frühling“, für das vor allem er 1919 den Literaturnobelpreis erhielt, fand ich im Dritten Teil, Siebenter Gesang „Dionysos der Seher“ den ersten und bisher einzigen Beleg:

“Der Mond schwieg durch die Nacht, und Weltgeflüster floss.

Ein Knabe sonderbar, genannt Dionysos, 

Schrie bebend auf: Dies Augenpaar und dies Gesicht 

Stammt nicht von dieser Welt und ist ein Traum auch nicht”.

Spittelers Mondschein-dramatisches Weltgeflüster hat jedoch über den Wortlaut hinaus wenig mit meinem Weltgeflüster zu tun. Mein Weltgeflüster ist flüsternder. Es soll das Nichtgesagte hinter den großen Worten flüstern. Vergessenes, Unbekanntes, Nichterwähntes, Weggelassenes und Nichtbeachtetes flüstert und will ans Licht gebracht werden. Verhalten zeigt und entlarvt sich flüsternd. Weltgeflüster soll wie ein zerbrochener Spiegel sein, in dessen kleinster, übersehener Scherbe sich noch das vollkommene Abbild der Wirklichkeit wieder findet.

Kategorie(n): Sonstiges und Undefinierbares

1 Beitrag der Leser

  • Helga Moll

    // Jul 9, 2008 at 13:37

    Bitte weiterflüstern.
    Gruß Helga

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