ÖKOLOGISCHES

Mein Freund Herwi

von Markus A. Maesel · 21.05.2008 · 2 Kommentare

Irgendwann fielen sie über die Hausgärten der Ludwigshafener Gartenstadt her, wie einst die biblischen Heuschreckenschwärme über das alte Ägypten. Merkwürdige kalbshohe Wesen mit grünschwarzlederner Elefantenhaut. Da ihr Rachen zum Himmel zeigte, trugen sie gegen Unwetter eine gewölbte Mundbedeckung, die einem Chinesenhut nicht unähnlich war. Zwischen Schlund und tief gelagerter Ausscheidungsöffnung erstreckte sich als anatomisches Kuriosum ein Ganzkörpermagen, der in seiner vegetarischen Unersättlichkeit konkurrenzlos war. Auf dem mutierten Chinesenhut war der Name des Komposterspezialisten “Herwi” und als Herkunftsort der Invasoren das unterfränkische Klingenberg zu lesen. Gesponsert wurde der Überfall der Kompostlegionäre durch Zuschüsse der Stadt Ludwigshafen.

Doch bald holte die gartenstädtische Heimatfront zum Gegenschlag aus. Obwohl die Kompostbehälter abgeschlossen seien, stänken sie bestialisch, war zu hören. Der Vorwurf, sie zögen auch Mäuse an, läutete ihre allmähliche Verdrängung ein. Schrittweise wanderten sie in entlegene Gartenwinkel, nach einer Schamfrist verschwanden die meisten von ihnen ganz. Einzelne Exemplare finden sich noch vergessen und vom Hunger ermattet in ihren Nischen, oft von Kletterpflanzen überwuchert.

Herwi, Komposter und Freund    Foto: M. Maesel

Gegen die vorstädtische Vernunft habe ich “Herwi” über die Jahre die Treue gehalten. Mein täglicher Gang zu ihm ist inzwischen zu einer ritualisierten Auszeit von Beruf und Familie geworden, die mich lehrt, dass der Weg das Ziel ist. Andere Menschen, inzwischen auch Filmstars und Entertainer, laufen für diese einfache spirituelle Erkenntnis Hunderte von Kilometern zum Grab des heiligen Jakob nach Nordwestspanien. Mein Santiago de Kompost-ella habe ich mit weniger Aufwand in der Gartenstadt gefunden.

Dankbar schluckt Herwi den in vielen Farben schillernden Küchenabfall-Cocktail aus dem braunen Plastikeimer; bei der Zugabe von Rasenschnitt glaube ich manchmal gar ein wohliges Grunzen zu hören. Nur einmal, als Herwi aus Versehen gespritzte Schalen von Zitrusfrüchten verschlungen hatte, war ihm ziemlich elend zumute und seine Nähe wurde zu einem nur schwer erträglichen Geruchserlebnis. “Das Scheißding stinkt, pfui Deibel”, giftete eine Nachbarin mit antiseptischem Naturell vom Balkon herunter. “Wenn Sie einen verkorksten Magen haben, riecht es bei Ihnen auch nicht besser”, konnte ich mir als Antwort gerade noch verkneifen. Lieber litt ich still mit meinem Komposter. Schließlich konnte ich ihm mit einem bewährten Naturheilmittel helfen. Zucker und Hefe, aufgelöst in einem Eimer Wasser und das Ganze leicht angegoren, stellten Herwis Darmflora umgehend wieder her.

Auch mein kleiner Sohn hat Herwi in sein Herz geschlossen. Im Sommer, wenn durch die brütende Hitze ein besonders arbeitsreicher Verdauungstag hinter Herwi liegt, verschafft er ihm Kühlung mit seiner Wasserspritzpistole. Er erinnert dabei an einen indischen Mahut, der seinen Elefanten nach getaner Waldarbeit mit einem Bad belohnt. Dann fühle ich mich mit meiner Komposterphilie verstanden und habe die Hoffnung und Zuversicht, dass Herwi auch für die Zeit nach mir in guten Händen ist.

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Kurpfälzisches und Südwestdeutsches, Tierisches und Pflanzliches

2 Beiträge der Leser

  • Jens Fischer

    // Jun 26, 2008 at 16:51

    Ein Garten als literarische Inspirationsquelle! Respekt und Anerkennung für die beiden höchst amüsanten Ergüsse zu Herwi und Klein-Buddha. Ich glaube, ich werde meinen Garten heute Abend mit ganz anderen Augen betrachten, trotzdem aber literarische Gedankenspiele lieber gegen ein Bier eintauschen.

  • Beate Haaß

    // Apr 29, 2011 at 10:05

    Ein toller Beitrag “mein Freund Herwi”
    auch ich liebe Herwi gleich 2 mal oh da bin ich wohl Bigamist oder 2facher Komposter? ich in nach jahren immer noch begeistert von Herwi auch bei uns in Nagold war das mal eine städtische Aktion. Gerne hätte ich noch eine 3. Tonne und auch die nachfolgende Generation hätte gerne für ihren Garten einen Herwi leider finde ich keine bei uns zu kaufen. Unserer hat übrigens noch nie gestunken. Sowas macht doch ein Herwi nicht! kann nur noch mal bestätigen meine “Freunde die Herwis” dind super und liefern mir Jahr um Jahr guten Kompost. Weis Jemand wo ich noch welche kaufen kann Kreis Calw Tübingen Böblingen?

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