HARMONIEERWARTUNG

Krippenspiel

von Markus A. Maesel · 18.12.2008 · 0 Kommentare

Ich habe preisgünstig den großen Omnibus von Playmobil im Handel ergattert. Stolz lege ich ihn unter den Weihnachtsbaum; stelle mir vor, wie mein Sprössling das Geschenkpapier aufreißt, mit Jubelschrei den Karton öffnet, den Bus herausnimmt und glückselig im Spiel versinkt. Schließlich wollte er schon immer Busfahrer werden.

Die Bescherung verläuft zunächst wie erhofft, bis nach dem Jubelschrei ein Sammelsurium von unzähligen Einzelteilen vor mir liegt. Kein fertiger Bus für diesen Preis, empöre ich mich. Doch da bietet sich die vermeintlich logische Bauanleitung als Retter in der Not an. Ich folge ihr und nichts geht. Das Kind quengelt: „Papa, wann bist Du endlich mit meinem Bus fertig, ich möchte spielen!“ Die Ehefrau schaltet sich ein: „Das ist ja wieder einmal typisch, Du bekommst wie immer überhaupt nichts geregelt. Lass mich das machen!“ Frauenpower – und schon hat sie die Busfragmente an sich gerissen.

Auch bei ihr geht nichts, mein hämisches Grinsen und meine lästerlichen Kommentare bringen sie auf die Palme – in Rekordzeit. Das Kind: „Mama, ich möchte jetzt endlich mit meinem Bus spielen!“ Jetzt giftet sie los: „Alles muss ich selbst machen, und was tut ihr – gar nichts“. Vom CD-Player aus versucht Kinderliederstar Rolf Zuckowski beschwörend mit einschmeichelnden Melodien einen Rest von Weihnachtsharmonie zu retten. Vergeblich. Plötzlich hebt das Jesuskind in der Krippe verstört sein Köpfchen und fragt: „Beginnt meine Kreuzigung jetzt schon?“ Finster schauen Maria und Josef zu uns herüber. Schweißgebadet wache ich auf. Noch sechs Tage bis Heiligabend.

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Heiliges und Unheiliges, Makaberes und Skurriles

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