BUSFAHRERS TROST

Die Achse des Blökens

von Markus A. Maesel · 13.02.2009 · 4 Kommentare

Busfahrer sind eine oft missachtete Spezies auf diesem Planeten. Für die meisten Ein- und Aussteigenden gehören sie zum Inventar des Omnibusses; Roboter, von denen grußlos gelegentlich ein Fahrschein verlangt wird. Legt ein Pilot mit seinem Düsenjet eine perfekte Landung hin, klatschen die Passagiere Applaus. Durfte das auch schon ein Busfahrer nach einer ruckfreien Fahrt erleben?

Der letzte Bus, der samstags abends zwischen Deidesheim und Ludwigshafen verkehrt, ist etwas Besonderes. Er bringt Ludwigshafener – meist Generation 50 plus -, die Schoppen für Schoppen an der Weinstraße ihren grauen Alltag in der Chemiestadt zu vergessen suchten, in ihr Elend zurück. Gleichzeitig liest er in den vorderpfälzischen Dörfern angetrunkene Jugendliche auf, die vor der ländlichen Idylle zum „Abtanzen“ in die Diskotheken Ludwigshafens und Mannheims entfliehen.

Ich sitze mit meiner Familie in diesem Bus zwischen den Fronten; vor uns städtische Senioren und Halbsenioren, hinter uns dörfliche Junioren, in alkoholischer Gärung vereint. Es folgt ein gemeinsames Warmsingen mit „Alle meine Entchen“. Dann werden die Lieder länger, kühner und falscher. Doch Gesang und Alkohol machen auch Herz und Gemüt weicher. Plötzlich denken die Weinseligen und Alkopop-Stars an den Busfahrer, der sie still, freundlich und duldsam durch die kalte Winternacht chauffiert. Einfühlsam singen sie ihm daraufhin, in nicht enden wollender Wiederholung, ein Ständchen:

„Busfahrer, Busfahrer, arme Sau,
Du musst fahren und wir sind blau“.

So viel Mitgefühl hat auch meinen Sprössling beeindruckt. Seitdem höre ich den Reim täglich – mehrmals.

Kategorie(n): Genüssliches und Anregendes, Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Kurpfälzisches und Südwestdeutsches, Mobiles und Zugiges

4 Beiträge der Leser

  • Stephan

    // Feb 14, 2009 at 18:25

    Lieber Markus,
    eine schöne Geschichte! Eigentlich schon wieder eine Weihnachtsgeschichte….
    Aber Markus, wir warten neugierig auf einen Papst/P.X Kommentar von Dir. Kürzlich hab ich ein Foto von Benedikt gesehen -lächelnd wie immer, plötzlich sah ich nur noch einen alten Mann und empfand Sympathie.
    Kannst Du mir diese Gefühle austreiben?
    (Meine Frau will sich schon scheiden lassen …)
    Gruß Stephan

  • helga

    // Feb 15, 2009 at 20:16

    Kinder lernen “Vom Leben - für’s Leben”??? Wie war es in Deiner Kindheit?
    Gruß Helga

  • Markus A. Maesel

    // Feb 18, 2009 at 17:46

    Lieber Stephan,

    Du hast Recht, die „Achse des Blökens“ könnte auch als weihnachtliche Geschichte durchgehen. Das habe ich aber erst nach Deinem Hinweis gemerkt. Da ich eine Weihnachtsphobie habe, werde ich anscheinend immer wieder vom Thema Weihnachten eingeholt. Da geht es mir wie dem Grinch. An einer Weihnachtsgeschichte habe ich einmal sogar fast zwei Jahre lang herumgefeilt, bis sie mir gefallen hat. Sie findet sich als „Die Herbergssuche von Kaima“ ebenfalls auf diesem Weblog: http://www.weltgefluester.de/index.php/2008/07/04/die-herbergssuche-von-kaima/
    Das Ankommen ist mir bei Weihnachten wichtig – etwas was die mit Konsum, Ritualen und Zuckerguss überfrachtete Weihnachtszeit kaum zulässt.

    Und Benedikt XVI.? Ich glaube, das Foto, welches Du beschreibst, habe ich ebenfalls gesehen. Aber in dieser welken Hülle steckt ein wacher, innerhalb seines Bezugssystems differenziert denkender, unduldsamer Geist. Da schützt Alter weder vor Torheit noch vor Verantwortung. Aufgefallen ist mir Josef Ratzinger erstmals bei seinem Umgang mit Leonardo Boff und der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung Anfang der 1980er Jahre. Sein unmenschlicher, engherziger Umgang mit den Hoffnungen der Menschen und ihrer Fürsprecher bestimmt seitdem meinen Blickwinkel auf diesen Pontifex (?) maximus. Benedikt XVI. und sein Vorgänger Johannes Paul II. haben immer nur versucht, den Menschen zu erklären, dass sie das 2. Vatikanische Konzil falsch verstanden hätten. Die Talibanierungs-Tendenzen in der katholischen Kirche gehen auf ihr Konto und kommen nun im Kotau vor den vorkonziliaren Lefebvre-Anhänger voll zum Ausdruck. Das Schlimme ist, dass gegenwärtig in allen Weltreligionen fundamentalistische Strömungen an Gewicht und Bedeutung gewinnen. Sie erliegen der Versuchung, den allmächtigen Gott in die goldenen Käfige ihrer Engherzigkeit und Engstirnigkeit einsperren zu wollen. So unfrei war Gott schon lange nicht mehr.

    Viele Grüße

    Markus

  • Pauschalreisen

    // Mär 10, 2009 at 12:52

    Hallo und guten Tag,

    das größte Problem des Menschen ist fehlende Dankbarkeit und die Tatsache, dass heutzutage “Alles” eine Selbstverständlichkeit ist… Egomanen werden in unserer Gesellschaft gezüchtet wie Scheine!
    Ich weiß nicht warum nur noch wenige Menschen Tugenden verinnerlichen oder Werte schätzen, die vor 50 Jahren noch zur Tagesordnung gehörten!
    Ist es zu viel verlangt, ein Danke auszusprechen oder die Leistung einer anderen Person- nur einmal(wenigstens)- anzuerkennen?
    Der Busfahrer hat das Leben von vielen Menschen in der Hand und niemand würdigt es- “Ehre, wem Ehre gebührt”, so heisst es doch! Man muss nicht übertreiben; schon ein kleines Danke würde bereits ausreichen, um jenen Busfahrer glücklich zu machen- das kann man auf jeden Menschen beziehen!
    Vielleicht verändert sich unsere Gesellschaft irgendwann wieder zum Guten, doch bis dahin kann ich nur an jene appelieren, die solche Werte noch kennen, nicht aufzugeben und weiter an diesen Werten festzuhalten!

    Vielen Dank!

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