KULTURSCHOCK

Zurück in Deutschland

von Markus A. Maesel · 30.07.2009 · 1 Kommentar

Seit drei Wochen bin ich mit meiner Familie wieder in Deutschland. Jetzt trennen uns wieder rund 14000 Kilometer vom Norden der indonesischen Insel Sulawesi; von Kaima, einem Dorf der Minahasa-Tonsea, aus dem meine Frau stammt.

Indonesien ist lärmend, menschenvoll und kontaktfreudig. Hier in Deutschland kommt uns nun alles unwirklich leer, gedämpft und still vor. Als ich gleich nach unserer Ankunft zum etwa 500 Meter entfernten Supermarkt ging, bin ich auf meinem Weg drei Menschen begegnet. Auf einer vergleichbaren Strecke in Kaima wären es mehr als hundert Menschen gewesen. Unsere klimatisch notwendige Isolierung der Häuser mit Dämmstoffen und Mehrfachglasfenstern schottet uns von der Außenwelt ab, in den luftigen Minahasa-Holzbauten weht das Leben von draußen in jeden Winkel hinein. In Indonesien sind Kinder allgegenwärtig, dürfen schreien, toben, laut lachen; unsere vereinzelten Wunsch- und Designerkinder sind wie einsame Inseln in einem überalterten Umfeld, die man laufend ermahnen muss, die geliebte deutsche Friedhofsruhe nicht zu stören.

Kinder aus Kaima üben den Cakalele  Foto: Maesel

Und diese hässliche Uhr, eine Bosheit der Technikgeschichte, die mit ihren beiden Zeigern unser Leben in Takte zerschneidet, spielt wieder eine Rolle. Es werden wieder Termine gebraucht, wenn man Menschen treffen will. Plötzlich rennt wieder die Zeit davon, die die Indonesier mit Fußfesseln gezähmt haben. Jam karet – Gummizeit – ist bei ihnen ein geflügeltes Wort. Während das Land der 18000 Inseln voller Abenteuer steckt, die darauf warten, geweckt und gelebt zu werden, scheint die letzte Herausforderung im Land der Dichter und Denker das Komasaufen zu sein. Kraftvolle Mythen und Geschichten dort, blasse Nachrichten hier.

Seit drei Wochen ist unser Fußboden im Ess- und Wohnzimmer Start- und Landebahn von Singapore Airlines, so sehen es zumindest unsere Kinder. Ständig stolpere ich über eine Boeing. Als ich vorgestern Abend von der Arbeit nach Hause kam, hörte ich zu meiner angenehmen Überraschung aus unserem Gärtchen den schrillen, markerschütternden Kopfjagdschrei der Minahasa. Unsere Kinder, bewaffnet mit Stock und Schild, inszenierten gerade lautstark den Cakalele, den alten Kriegstanz des Minahasa-Volkes. Und die Nachbarn blieben erstaunlich ruhig.

Kategorie(n): Geschichtliches und Völkerkundliches, Indonesisches und Manadonesisches, Sonstiges und Undefinierbares

1 Beitrag der Leser

  • Helga

    // Aug 20, 2009 at 20:28

    Normale Leute müssen dazu den Fernseher anschalten oder vielleicht sogar in fernes unbekanntes Gefilde reisen, Eure Nachbarn bekommen die fremde Kultur direkt in ihren Garten gebracht. Wer kann das von sich sagen?
    Gruß Helga

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