INFEKTIÖSES

Im indonesischen Krankenhaus (Teil 1)

von Markus A. Maesel · 20.08.2009 · 1 Kommentar

Kinderschreck im Krankenzimmer – Weiße Rabenmutter – Launen einer Prinzessin – Deutsche Spuren – Indonesische Sicherheitsvorstellungen – Klassensystem im Krankenhaus – Ungewöhnliches Stiftungswesen

Meine Tochter ist mit einer tropischen Infektion in das Rumah Sakit Advent Manado (RSAM), das moderne Adventistenkrankenhaus in Manados Stadtteil Teling, eingeliefert worden. Bleich, appetitlos, die Augen tief in den Höhlen liegend, an einer Infusionsflasche hängend, in hellblauem Einheitsschlafanzug und mit rosafarbenem Namensbändchen am Handgelenk liegt sie im weißlackierten Bett. Sie teilt ihr Zimmer mit einem Jungen im Grundschulalter, dessen Großmutter Tag und Nacht bei ihm im Bett liegt. Seit seine Mutter gestorben ist, zieht sie ihn und die beiden Geschwister auf. Er hat ebenfalls einen Infekt, wie viele andere auf der Station „Jasmin“. In Indonesien hat nur jeder achte Einwohner Zugang zu sauberem Wasser. Das erklärt vieles. Genervt durch das ständige Gepiense des Enkels, raunzt ihn seine Großmutter an: „Sei ruhig oder der Bule (weiße Ausländer) verprügelt Dich!“ Schlagartig tritt für kurze Zeit Ruhe ein, ich scheine seinen Peinigerfantasien zu entsprechen.

Auch unser Kind bleibt nicht alleine im Krankenhaus. Meine Frau ist die meiste Zeit bei ihm. Obwohl es eine indonesische Mutter hat, besitzt es eine sehr blasse Haut und weiche, hellbraune Haare. Das sorgt für Verwirrungen. Meine Frau wird öfters empört angesprochen, wann endlich die weiße Rabenmutter gedenke, sich bei ihrem Kinde blicken zu lassen. Sie wird offensichtlich für die Pembantu gehalten, das Dienst- und Hausmädchen, welches sich besserverdienende Indonesier und vor allem Weiße leisten. Auf ihre Antwort erntet sie meist nur ungläubiges Staunen.

Nach den ersten Infusionen ist unsere Tochter als noch schwach, aber bereits misslaunig. Sie will unterhalten werden. Ihr Programm findet sie schnell, morgens bis abends möchte sie im Rollstuhl durch das Krankenhaus gefahren werden. Den Gang der Station „Jasmin“ rauf, runter, rauf, seitlich zum Fahrstuhl, hinab ins Foyer, von dort aus durch das gesamte Erdgeschoss, dann im Fahrstuhl wieder hoch. Verschnaufpausen ihrer Chauffeure verabscheut sie und wird sogleich sehr ungnädig. Freundlich winken die Menschen in den Fluren dem kleinen Fräulein aus Deutschland bei seiner Ausfahrt zu. Im rechten Arm habe ich öfters einen Krampf, da ich beim Schieben ihres Gefährts die Infusionsflasche hochhalten muss. Aber so lerne ich das Krankenhaus kennen.

Anheimelnd für das deutsche Gemüt findet sich seitlich des Haupteingangs – unpassend zum modernen Gesamtstil - eine biedere Standuhr aus Eichenholz der Firma Junghans, und eine Station im Hause trägt gar den prosaischen Namen „Edelweis“. Im Foyer entsetzt mich immer wieder der Treppenaufgang zu den oberen Stockwerken, ein deutscher Sicherheitsingenieur würde bei dessen Anblick gar innerhalb weniger Augenblicke ergrauen. Der Treppenaufgang ist nämlich durch ein Gefängnisgitter mit dicken, stahlglänzenden Rundstäben vom Erdgeschoss abgetrennt, nur zwei schmale Türen gewähren Durchlass. Abends werden diese vom Security Service mit klobigen, ebenfalls blinkenden Vorhängeschlössern versehen. Am Fahrstuhl hingegen warnen Schilder, diesen im Brandfall nicht zu benutzen. Wie kommen die Menschen im Katastrophenfall aus dem Gebäude heraus? Nicht gut, wenn man hier das Edelweiß glühen sieht.

Im Krankenhaus können die Patienten zwischen verschiedenen Klassen wählen. Zunächst gibt es – wie auch im Zug und auf dem Schiff – „Ekonomi“, oft auch „Klas kambing“ - „Ziegenklasse“ - genannt. Lange Schlafsäle, mit nur durch Vorhängen abgetrennten Betten, sind ihr Merkmal. Es folgt ein mittlerer Standard mit den Klassen 1 bis 3. Die erste Klasse bedeutet Zwei-Bett-Zimmer mit eigenem WC. Die Krönung sind die „VIP“- Einzelzimmer mit wiederum zwei Kategorien, die sich hinsichtlich ihrer Ausstattung mit Sofa, Schrank und Fernsehapparat unterscheiden. Die Ärzte sind fast alle Manado-Chinesen, die Krankenschwestern und Pfleger Manado-Malaien. Flink, flexibel, äußerst freundlich und hilfsbereit gehen sie ihren Aufgaben nach.

Das RSAM wurde im Dezember 2007 eröffnet, es ist das modernste und teuerste Krankenhaus in Manado. Beim Bau des Hospitals müssen Stiftungen eine große Rolle gespielt haben. Vor jedem Krankenzimmer ist neben der Tür eine schwarze Tafel mit Goldrand und ebensolcher Schrift angebracht. Jede Inschrift ist mit den Worten „Donated by” eingeleitet, beispielsweise „Donated by First Indonesian SDA Church of New Jersey in Memory of Pastor J. Kohdong” oder „Donated by Indonesian Pioneer SDA Church New Jersey, U.S.A.”. Ohne lästern zu wollen - dieses Stiftungsmodell habe ich erstmals vor fast dreizehn Jahren im Zoo von Singapur gesehen. Dort ist jeder Käfig und jedes Gehege mit einem Sponsorenschild versehen. „Tiger sponsored by Singapore Airlines“ oder so ähnlich.

Der Aufenthalt im RSAM war vom 1. bis 5. Juli 2009.
ZUM TEIL 2

Kategorie(n): Geschichtliches und Völkerkundliches, Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Indonesisches und Manadonesisches

1 Beitrag der Leser

  • Helga

    // Aug 20, 2009 at 20:17

    Aber Markus,
    die “Gutmenschen” müssen doch zeigen, dass sie es sind. Warum sollte das gerade in Indonesien anders sein?
    Liebe Grüße
    Helga

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