EIN MANNHEIMER IN INDONESIEN

Der Naturforscher Dr. Schwaner (1817-1851)

von Markus A. Maesel · 01.10.2009 · 2 Kommentare

Die Gedenktafel auf dem Mannheimer Hauptfriedhof

An der Außenmauer der alten Urnenhalle des Mannheimer Hauptfriedhofs befindet sich eine Sandsteinplatte im neugotischen Stil, deren Inschrift ein tragisches Schicksal in vielen tausend Kilometern Entfernung erahnen lässt und Mannheim mit Batavia, der früheren Metropole Niederländisch-Indiens, verbindet. Aus Batavia ist inzwischen Jakarta geworden und aus Niederländisch-Indien Indonesien; der junge Mannheimer, dem die Gedenktafel gewidmet ist, ist heute vergessen. Die Tafel verkündet dem stillen Betrachter:

Dem Andenken

des muthigen Reisenden

u. unermüdlichen Naturforschers

Dr. C. A. M. Schwaner,

geb. d. 16. Febr. 1817 zu Mannheim

gest. d. 30. März 1851 in Batavia,

der Verein für Naturkunde.

Gedenktafel für Dr. Schwaner auf dem Mannheimer Hauptfriedhof - Foto: Dr. Franz Waller

Dr. Carl Anton Ludwig Maria Schwaner war weder Mitglied noch Ehrenmitglied des Mannheimer Vereins für Naturkunde von 1833 und trotzdem nahm dieser die Kosten der Gedenktafel auf sich. Die Motive lassen sich aus dem Jahresbericht des Vereins vom 23. Dezember 1852 nicht erkennen. Dort heißt es lapidar: „Dem auf einer wissenschaftlichen Reise in Java verstorbenen jungen Naturforscher Schwaner aus Mannheim hat der Verein auf hiesigem Kirchhofe eine Gedenktafel setzen lassen“. Der Jahresbericht zeigt lediglich die mangelnde Kenntnis des Naturkundevereins über die Person des Gewürdigten. Schwaner war nämlich nicht auf einer wissenschaftlichen Reise auf der indonesischen Hauptinsel Java gestorben, sondern er verbrachte dort die letzten drei Jahre seines Lebens. Ein knappes Jahr zuvor war der Verein in einem Schreiben an das niederländische Außenministerium noch davon ausgegangen, dass Schwaner im Kolonialdienst auf den Molukken verstorben sei und bat um ein kostenloses Exemplar seines gedruckten wissenschaftlichen Werkes, das zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht vorlag. Tatsächlich fanden Schwaners Forschungen nicht auf den Molukken, sondern auf Borneo statt.

Eine Gedenktafel also für einen Mann, den man gar nicht kannte. Wahrscheinlich genügte allein die Faszination, dass ein Mannheimer Naturkundler sich in den fernen Tropen als Wissenschaftler einen Namen gemacht hatte, für die Errichtung der Tafel. Schwaner wurde quasi posthum in den aufstrebenden Mannheimer Verein für Naturkunde integriert und trug damit zu dessen Renommee bei.

Schwaners Familie und Ausbildung

Was für ein Leben, das mit 34 Jahren fern der Heimat erlosch, verbirgt sich hinter den nüchternen Lettern der Steintafel? Versuchen wir eine biographische Skizze. Dr. Carl Anton Ludwig Maria Schwaner wurde er 1817 in Mannheim in ein von Naturwissenschaften geprägtes familiäres Umfeld hineingeboren. Sein Vater Philipp Jakob Schwaner war Apotheker, der aus Alsbach bei Bensheim stammte und im Sommer 1813 die Löwen-Apotheke in Mannheim gekauft hatte. Seine Mutter Clara war die Tochter des Hofapothekers und Medicinalassessors Joseph Baader, der in Mannheim auch Kustos des Naturalienkabinetts im Schloss sowie Lyceumsprofessor war. Seine Vornamen erhielt er von seinem Taufpaten, dem Apothekergehilfen Carl Maria Anton Brentano aus Laufenburg in der Schweiz, der in Mannheim tätig war. Carl Anton Ludwig Maria war das dritte von fünf Kindern der Familie. Die Söhne gingen nach der lutherischen Konfession des Vaters, die Töchter wurden im katholischen Glauben der Mutter erzogen. Der Vater starb bereits 1821. Sein Vormund wurde Finanzrat Baader in Karlsruhe.

Schwaner besuchte von 1829 bis 1832 das Lyceum in Karlsruhe, 1835/36 wird er als Schüler der “Polytechnischen und Vor=Schule” in Karlsruhe genannt. Hier hörte er auch ein Jahr Zoologie. Im Mai 1836 immatrikulierte er sich an der Universität Heidelberg. Im Oktober 1837 wechselte er zum Medizinstudium an die Königliche Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität nach Bonn. Dort fiel er zwischen 1837 und 1839 durch Beleidigungen und nächtliche Ruhestörungen auf, was ihm mehrere Karzerstrafen einbrachte. Während seines Studiums an beiden Universitäten beschäftigte sich Schwaner vor allem mit Geologie, Mineralogie, Zoologie, Chemie, Anatomie und Botanik.

Seine Dissertation „Die Basalt=Erhebungen von Siegburg und seiner nächsten Umgebung“ reichte Schwaner Ende Februar 1840 an der Universität Heidelberg ein. Aufgrund seines „sehr ungünstigen Sitten=Zeugnisses“ aus Bonn wurde in der Philosophischen Fakultät die Forderung laut, ihn einer strengeren Doktorprüfung zu unterziehen. Doch der Zoologe und Paläontologe Professor Heinrich Georg Bronn, der Schwaner schon aus seiner Heidelberger Studienzeit kannte und dessen zoologische Kenntnisse besonders schätzte, lehnte ein solches Vorgehen ab und gab ihm im Examen entsprechend seiner Leistungen die „erste Nota“. Bronn war übrigens der erste Ordinarius für Zoologie in Heidelberg. Bekannt wurde er mit einer eigenen Theorie zur Entstehung der Arten und war in dieser Frage führend in Deutschland. Bronn galt auch für Charles Darwin als Autorität, obwohl er gegensätzliche Auffassungen vertrat.

Der Weg nach Niederländisch-Indien

Am 8. März 1840 hielt Schwaner die Promotionsurkunde in den Händen; im Herbst 1841 findet man ihn in den Niederlanden wieder. Am 1. September 1841 empfahl ihn der Direktor des Reichsmuseum für Naturgeschichte in Leiden, Coenraad Jacob Temminck dem holländischen Kolonialminister als Mitglied für die „Natuurkundige Commissie voor Nederlandsch Indië“. Die Kommission bestand von 1820 bis 1850 und hatte den Auftrag, das heutige Indonesien naturwissenschaftlich zu erforschen. Ein Kolonialreich, das aus über 18000 Inseln bestand und weit über vierzig Mal größer als das Mutterland war. Den pragmatischen Holländern ging es dabei keineswegs nur um die reine Wissenschaft, sondern vor allem um den wirtschaftlichen und kolonialpolitischen Nutzen der neuen Erkenntnisse und Entdeckungen.

Da die Niederländer während ihrer fast 350-jährigen Anwesenheit in Indonesien nie in der Lage waren, mit eigenem Personal dieses, ein Achtel des Erdumfangs umfassende Riesenreich administrativ, militärisch und ökonomisch zu beherrschen, warben sie im Ausland – vor allem in Deutschland – entsprechende Fachkräfte an. Keine ehemalige Kolonie ist so sehr mit deutschen Namen verbunden wie  Niederländisch-Indien. Dies spiegelt sich auch in der Besetzung der „Natuurkundige Commissie“ wider, die in den 30 Jahren ihres Bestehens vier holländische, einen französischen und sieben deutsche Naturwissenschaftler beschäftigte. Interessant ist dabei festzustellen, dass von den sieben deutschen Wissenschaftler vier in Heidelberg studiert hatten oder von dort stammten. Die meisten Mitglieder der Kommission starben infolge ihrer Arbeit in Indonesien.

Am 9. Januar 1842 ernannte der Kolonialminister Schwaner mit einer monatlichen Besoldung von 350 Gulden, daneben 500 Gulden für seine wissenschaftliche Ausrüstung, zum neuen Mitglied der „Natuurkundige Commissie“. Schwaner schiffte sich im April 1842 an Bord der „Rhoon en Pendrecht“ nach Niederländisch-Indien ein und kam nach vier Monaten in Batavia an. Aber anstatt gleich auf Entdeckungsreise geschickt zu werden, saß Schwaner erst einmal wegen Geldmangels der Kommission die nächsten vierzehn Monate auf Java fest. Schwaner kompensierte seine Ungeduld und seinen Verdruss mit regelmäßiger Volltrunkenheit, malaiischen Geliebten (nyai) und Streit mit anderen Europäern. Die hasserfüllte Auseinandersetzung, die sich Schwaner und der „Humboldt von Java“, Dr. Franz Wilhelm Junghuhn im abendlichen Vollrausch leisteten, war Stadtgespräch in Buitenzorg und Batavia. Auch Selbstmordgedanken befielen Schwaner in dieser Zeit. Der Schweizer Botaniker Heinrich Zollinger, ein späterer Pionier der botanischen Entdeckung Ostindonesiens und zeitweise dessen Freund, sah als Grundzug Schwaners „gute deutsche Gemütlichkeit“ und „Ruhmsucht“. Er sei „extravagant und ephemer“ in seinen Entschlüssen, „sehr launenhaft“ sowie „sanguinisch im Versprechen, phlegmatisch im Halten“. Ohne Beschäftigung wusste Schwaner mit sich selbst wenig anzufangen. Daneben gab es aber auch den anderen Schwaner, der seine Mutter „aus kindlich dankbarem Gemüthe“ mit einem nicht unerheblichen Teil seines monatlichen Gehaltes unterstützte und ihr Briefe schrieb, sowie im bürgerlichen Umfeld artig „mit heiserer Stimme“ eine Arie singen und als Erzähler fesseln konnte.

Wissenschaftliche Ablenkung bot Schwaner auf Java lediglich die Besteigung und geologische Erkundung des Salak, einem Vulkan bei Buitenzorg (heute Bogor) sowie die Bewertung des Zustands des Zoologischen Museums der Batavischen Genossenschaft in Buitenzorg. Von seinen Möglichkeiten als Mitglied der „Natuurkundige Commissie“ den später berühmten Botanischen Garten in Buitenzorg (heute Kebun Raya Bogor) zu fördern, machte er keinen Gebrauch.

Schwaner als wissenschaftlicher Entdecker Südostborneos

Im Spätjahr 1843 erhielt Schwaner endlich einen Forschungsauftrag für die damals kaum bekannte Insel Borneo, die mit 750000 km2 die drittgrößte Insel der Welt darstellt. Er sollte in Südostborneo vor allem nach Steinkohlevorkommen suchen, die die Holländer für ihre Dampfschiffe und somit für die Beherrschung des indonesischen Archipels benötigten. Anfang Oktober machte sich Schwaner mit einer kleinen Mannschaft in die Hafenstadt Banjermasin (Banjarmasin) auf, die das Eingangstor nach Südostborneo bildet. Im Tanah Laut untersuchte er die Gold- und Diamantenfelder und stieß tatsächlich auf abbauwürdige Kohlenflöze. Aus wirtschaftlich-militärischer Sicht war dies das Hauptverdienst seiner Expedition. Von Tanah Bumbu an der Ostküste lieferte er historische, geographische und statistische Notizen. Den Barito-Strom, die Lebensader Südostborneos, untersuchte er auf seine Schiffbarkeit für größere Fahrzeuge. Landeinwärts befuhr er den Barito bis zum linken Nebenfluss Teweh und bereiste diesen bis zur Wasserscheide. Er überschritt sie und gelangte in das Stromgebiet des Mahakam in Ostborneo. Diese erste Phase seiner Borneo-Forschungen dauerte bis 1847.

Am 31. Oktober 1847 begann Schwaner mit seiner Borneo-Durchquerung von Banjermasin im Südosten bis nach Pontianak im Westen, die ihn berühmt machen sollte. Schwaner fuhr mit 20 einheimischen Dajaks in zwei Prauen den Kapuas Murung und Katingan hinauf, überstieg die Wasserscheide zwischen diesen Strömen und dem großen Kapuas-Fluß, gelangte auf dem Melawi-Fluß bis nach Sintang und ließ sich von dort den Kapuas hinuntertreiben. Am 2. Februar 1848 erreichte er das Ziel Pontianak. Dieses südwestliche Grenzgebirge, welches die Wasserscheide bildet, wurde erst 1893/1894 von dem niederländischen Geologieprofessor Gustaaf Adolf Frederik Molengraaff wieder überschritten, der es in Ehrung des Mannheimer Naturforschers „Schwaner-Gebirge“ nannte. Nordöstlich schließt sich übrigens das „Müller-Gebirge“ an, das nach dem 1826 hier ermordeten Mainzer Major Georg Müller benannt wurde. Beide Namen ließ das unabhängige Indonesien bis heute unangetastet.

Schwaner war nicht der Erste, der die Wasserscheide bewältigte. Bereits ein Jahr zuvor war sie von Heinrich von  Gaffron, der Schwaner bei seinen Forschungen am Barito zeitweise begleitet hatte, 100 km weiter westlich überschritten worden. Dabei hatte Gaffron aber die Insel in einem wesentlich kleineren Bogen (Kotawaringin – Wasserscheide – Sintang – Kapuas – Pontianak) durchquert und war bei weitem nicht so tief ins Landesinnere vorgedrungen wie Schwaner. Außerdem fand Gaffrons Durchquerung im Gegensatz zu Schwaner, dessen Tagebuch der Reise als zweiter Band seines Borneo-Werkes posthum veröffentlicht wurde, keinen schriftlichen Niederschlag und blieb somit für die Wissenschaft ohne Wirkung.

Titelblatt des ersten Bandes von Schwaners „Borneo“, der 1853 posthum in Amsterdam erschien. Ein Jahr später wurde der zweite Teil veröffentlicht.

Schwaner kommt aufgrund seiner gründlichen Aufzeichnungen das Verdienst zu, der wissenschaftliche Entdecker Südostborneos zu sein. Er war zwar nicht der einzige Forscher auf Borneo, aber der Erste, der ein systematisches Werk über die Insel vorlegte, das – wenn auch erst nach seinem Tode – zum Druck gelangte. Dieses bildete bis Ende des 19. Jahrhunderts das Handbuch für Südostborneo. Es war bahnbrechend für die Geographie, Geologie und Handelskunde des Raumes. Statistiken über Handelsgüter und deren Preise finden sich dort ebenso wie neue Produkte. So klassifizierte er beispielsweise die unterschiedlichen Qualitäten des Laubbaumharzes Dammar, das später für die Farb- und Lackindustrie große Bedeutung erlangte. Sein Werk beinhaltet die erste Ethnographie über die Dajakvölker am Barito. Schwaner selbst ließ sich wie die Dajak tatauieren, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Daneben beschrieb Schwaner das Sultanat Banjermasin, die dajakisch-malaiischen Mischbevölkerungen am Barito und veröffentlichte teilweise statistische Angaben zu Ansiedlungen, die er besuchte. Das Werk zeugt von seinem Mut und seiner Unerschrockenheit, sich in einem von der Kopfjagd geprägten Kulturraum zu bewegen, den das holländische Militär erst viel später tatsächlich beherrschte. „Wenn man nicht setzet das Leben ein, wie kann das Leben gewonnen sein?“, sinnierte Schwaner bereits 1842 vor seinem Aufstieg auf den Salak bei Buitenzorg. Wissenschaft und Abenteuerlust fanden in ihm eine fruchtbare Synthese.

Rückkehr nach Java und Tod

Von Pontianak kehrte Schwaner nach Java zurück. In Buitenzorg widmete er sich der Ordnung, Auswertung und Zusammenfassung seiner Aufzeichnungen. Daneben hatte er „einige schöne Goldstufen und Diamanten-Kristallisationen“ von Borneo mitgebracht und besaß eine Sammlung von in Niederländisch-Indien vorkommenden Vögeln. Bereits von Borneo hatte Schwaner mehrmals zoologische Präparate an das Reichsmuseum nach Leiden geschickt. Seine Pionierleistungen fanden die Anerkennung der holländischen Kolonialgesellschaft. Persönlichkeiten wie der Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach, Oberbefehlshaber der Kolonialtruppen in Niederländisch-Indien, und die Schriftstellerin Therese von Lützow zählten zu seinem Bekanntenkreis. Am 19. Juli 1850 gründete Schwaner die  „Natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch Indië“, deren erster Präsident er war. Die Gesellschaft existierte bis weit in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein und gab eine eigene Zeitschrift heraus. 1860 wurde sie zur königlichen Gesellschaft erhoben.

Einen weiteren Schritt in die bürgerliche Gesellschaft tat Schwaner, als er im Oktober 1850 die Deutsche Agnes Clementine Caroline Hancke heiratete. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits wieder von der Kolonialregierung mit einem neuen Forschungsauftrag für  Südostborneo betraut. Schwaner hatte seine Expeditionsvorbereitungen gerade abgeschlossen, als er in Batavia an einem Tropenfieber („Batavianisches Fieber“) erkrankte und am 30. März 1851 dort starb. Nur sein früher Tod verhinderte, dass er analog zu Franz Wilhelm Junghuhn, dem „Humboldt von Java“, zum „Humboldt von Borneo“ wurde.

Gemäß seinem Wunsch begab sich seine Witwe auf den Weg zu seiner Mutter nach Heidelberg. Tragischerweise zerschellte jedoch ihr Schiff Anfang März 1852 an den Klippen des Kap Agulhas, der südlichsten Spitze Afrikas. Agnes Schwaner kam mit ihrer Schwester und deren drei Kindern in den Fluten um.

Schwaners Nachleben in Mannheim

Nach Errichtung der Schwaner-Gedenktafel auf dem Mannheimer Hauptfriedhof schenkte 1853/54 die Mutter Schwaners, die in Heidelberg lebte, dem Verein für Naturkunde eine „Sammlung indianischer Waffen“ ihres Sohnes. Sie ist heute jedoch verschollen. Es dürfte sich dabei um Waffen der Dajak auf Borneo gehandelt haben. Dann wurde es in Mannheim still um Schwaner, während er in der holländischen Kolonialliteratur fortlebte. Schwaner wurde in Deutschland im Gegensatz zu Junghuhn kaum bekannt, weil alle seine Arbeiten in niederländischer Sprache erschienen waren. Eine der wenigen Ausnahmen bildete das in Batavia erschienene „Deutsche Jahrbuch für Niederländisch-Indien“, das Schwaner 1925 unter den verdienstvollen Deutschen der Kolonie aufzählte. Weitgehend unbekannt blieb Schwaner auch in Indonesien. Zwar nennt die Provinz Kalimantan Tengah, in der das Schwaner-Gebirge liegt, Schwaner auf ihrer offiziellen Website und zählt einige seiner Leistungen auf, hält ihn aber für einen Holländer und gibt auch den Zeitraum seines Aufenthalts auf Borneo nicht richtig an.

In Mannheim kam Schwaner erst wieder 1937 im „Hakenkreuz Banner“ zur Sprache. Er diente dort dem Mannheimer Stadtarchivar Dr. Wolfgang Treutlein als Beispiel für Mannheimer und deutsche Größe. Gleichzeitig  rief er die Bevölkerung auf, eventuell noch vorhandene Briefe und sonstige Unterlagen Schwaners dem Stadtarchiv vorzulegen. Gemeldet hat sich, nach Auskunft des Stadtarchivs, niemand.

Für die kurzzeitige Wiederentdeckung Schwaners zu seinem 100. Todestag im Jahre 1951 steht der Name Dr. Robert Pfaff-Giesberg. Der Ethnologe Pfaff-Giesberg (1899-1984) leitete seit 1936 das Städtische Museum für Völkerkunde und Urgeschichte in Mannheim, das nach dem Zweiten Weltkrieg Teil des neu gegründeten Reißmuseums wurde. Schwaner war ihm lange ein Unbekannter. Aufmerksam auf den großen Mannheimer wurde er erst, als ein Mitglied der Basler Missionsgesellschaft, das seit vielen Jahren in Borneo tätig war, sich anlässlich der Ostasiatischen Ausstellung der Völkerkundlichen Sammlungen, an das Museum wandte und um biographische Angaben zu Schwaner bat. Fast zur selben Zeit erhielt Pfaff-Giesberg über die Städtische Pressestelle auch die Anfrage eines „Hamburger Übersee-Experten“, die ebenfalls Schwaner galt. Letzterer kann nur der Borneo-Kenner Dr. Karl Helbig gewesen sein, der sich später zum 100. Todestag Schwaners selbst noch zu Wort meldete. Im „Amtsblatt für den Stadtkreis Mannheim“ brachte Pfaff-Giesberg den vergessenen Sohn der Stadt wieder in Erinnerung und regte an, dem Borneo-Forscher anlässlich seines 100. Todestags eine Ehrung zuteil werden zu lassen. Als solche konnte er sich beispielsweise  die Benennung einer Straße nach Schwaner vorstellen. Diesen Vorschlag scheint der Mannheimer Gemeinderat aufgegriffen zu haben, als er im Oktober 1951 beschloss, im Stadtteil Rheinau, in der ehemaligen Siedlung der Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft der IG Farbenindustrie Ludwigshafen, eine Straße nach Schwaner zu benennen. Dort existiert ein sogenannter Taufbezirk, in dem die Straßen nach deutschen Entdeckungsreisenden und Kolonialgrößen benannt wurden.

Zum 100. Todestag, am 30. März 1951, wurde Schwaner in den Zeitungen Mannheims und der Region gewürdigt. Das „Amtsblatt für den Stadtkreis Mannheim“ brachte eine kurze Notiz, der Mannheimer Heimat- und Familienforscher Leopold Göller beleuchtete in der „A. Z. Abendzeitung für Nordbaden und die Pfalz“ den familiären Hintergrund des Borneo-Forschers; der Hamburger Geograph und Borneo-Spezialist Karl Helbig, der 1937 selbst die Insel mit nur einem Begleiter durchquert hatte, brachte im Mannheimer Morgen eine ausführliche Darstellung und Würdigung des Gelehrten. Pfaff-Giesberg stellte Schwaners Leben und Leistung am 2. April in der Rhein-Neckar-Zeitung vor.

Die detaillierteste Darstellung Schwaners veröffentlichte Karl Helbig in der Hamburger Übersee-Rundschau, die auch eine Kartenskizze der Borneo-Durchquerung Schwaners enthielt. Ebenfalls über den lokalen Rahmen hinausgehend würdigte Pfaff-Giesberg Schwaner in „Baden, Monographie einer Landschaft, Südwestdeutsche Rundschau für Kultur und Wirtschaft“. Im Jahresbericht 1950/51 des Vereins für Naturkunde gedachte Pfaff-Giesberg, unter Einbeziehung der Sandsteintafel auf dem Hauptfriedhof, des Mannheimer Forschungsreisenden.

Ohne erkennbaren Anlass erschien erst wieder 1959 eine kurze Notiz über Schwaner in der A. Z.; 1967 zum 150. Geburtstag Schwaners ein Beitrag im Mannheimer Morgen. Seit 1996 arbeitet nun der Verfasser vorliegender Zeilen, der in Heinrich Harrers Buch über Borneo zufällig auf Schwaner stieß, an einer Monographie über den Mannheimer Naturgelehrten. Er machte 1998, im 150. Jubiläumsjahr der Borneo-Durchquerung Schwaners, im Rahmen der Indonesischen Woche in Mannheim sowie in einem Interview mit dem Mannheimer Morgen auf den Naturforscher aufmerksam. Ohne Resonanz. Im Januar 2004 interessierte sich dann der Verein für Naturkunde für die von ihm errichtete Gedenktafel auf dem Hauptfriedhof und damit für das Leben des großen, unbekannten Sohnes Mannheims.

Anmerkungen zu Quellen und Literatur

Vorliegender Aufsatz wurde bereits unter dem Titel „Ein Mannheimer in Indonesien – der Naturforscher Dr. Schwaner (1817-1851)“ veröffentlicht in: Jahresbericht des Vereins für Naturkunde Mannheim e. V., gegründet 1833, Neue Folge Heft 8 für die Jahre 2002-2004. Mannheim 2005, S. 139-146, sowie in: Kita. Das Magazin der Deutsch-Indonesischen Gesellschaft Köln. Heft 1, 2005, S. 82-91. Für die Internet-Fassung wurde eine Korrektur vorgenommen. Die Publikation beruht auf handschriftlichen Quellen aus deutschen, niederländischen und indonesischen Archiven, sowie auf sehr verstreute, oft holländische Literatur. Weiterhin auf Material der Historikerin Renate Sternagel, die an einer Edition der Tagebücher des Schweizer Botanikers Heinrich Zollinger und der Schriftstellerin Therese von Lützow arbeitet. Beide weilten auf Java und kannten Schwaner. Der Südostasienwissenschaftler Dr. Werner Kraus stellte ebenfalls eine wichtige Quelle über Schwaner zur Verfügung. Ein Großteil der Artikel zum Nachleben Schwaners in Mannheim befindet sich auch im Stadtarchiv Mannheim, Signatur S 1/1492. Alle Angaben, einschließlich einer genauen Auflistung des wissenschaftlichen Werkes Schwaners, werden zu finden sein in der im Entstehen begriffenen Monographie „Der Mannheimer Naturforscher Dr. C. A. L. M. Schwaner (1817-1851). Sein Beitrag zur Entdeckung und völkerkundlichen Erforschung Südostborneos“.

Kategorie(n): Geschichtliches und Völkerkundliches, Indonesisches und Manadonesisches, Kurpfälzisches und Südwestdeutsches

2 Beiträge der Leser

  • Wolfgang Marschall

    // Mär 1, 2011 at 11:20

    Sehr geehrter Herr Maesel.
    Ich habe Ihren interessanten und lebendigen Bericht zu Carl Schwaner gelesen. Wie weit ist die Monographie gediehen?
    Mit freundlichen Grüssen
    Wolfgang Marschall

  • Gerhard Aust

    // Mär 16, 2011 at 12:49

    Sehr geehrter Herr Maesel.
    auch mich würde es sehr interessieren, wann Ihre Monographie über Schwaner erscheint. Meine Absicht, über Schwaner einen ausführlichen Wikipedia-Artikel zu veröffentlichen, habe ich zurückgestellt, weil ich Ihnen nicht “in der Quere kommen” möchte. Falls Sie Bildmaterial benötigen, melden Sie sich bitte! Ich besitze erstklassige fleckenfreie Scans in hoher Auflösung von beiden Titelblättern, von allen Tafeln und von der großen Faltkarte. Darüber hinaus habe ich auf der Grundlage der Borneo-Karte im Atlas van Tropisch Nederland eine Routenkarte entworfen (für eine Veröffentlichung dieser Karte ist allerdings eine Freigabe vom holländischen Katasteramt erforderlich). - Ich würde mich freuen, von Ihnen einmal wieder etwas zu hören.
    Mit freundlichen Grüssen
    Gerhard Aust
    P.S.: Ende Juni halte ich ein Vortrag über Junghuhn als Landvermesser und Kartograph im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven. Ab Ostern ist dort eine Ausstellung über Junghuhn zu sehen, an deren Gestaltung ich mitgewirkt habe.

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