AUFFANGSTATION?

Gottes Hand

von Markus A. Maesel · 17.03.2010 · 5 Kommentare

Als sich Margot Käßmann mit ihrer Promillefahrt aus dem Bischofsamt und vom Stuhl der Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche katapultierte, setzte sie eindrucksvoll und geradlinig mit ihrer Rücktrittserklärung einen Schlusspunkt hinter das Geschehene. Besonders bewegend war für mich dabei ihre „Glaubensüberzeugung“, die sie in der Misere bekundete: „Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand“.

Dieser Satz versetzte mich über Tage in einen promillefreien Rausch. Ich spürte Wärme, Geborgenheit und Getragensein, fühlte mich wie ein Seiltänzer mit Sicherheitsnetz. „Alles wird gut“, war der Grundton meiner Euphorie.

Doch plötzlich flüsterte mir Luzifer, Höllenfürst und theologische Spaßbremse, hämisch ins Ohr: „Und was ist, wenn Du zwischen seinen Fingern durchfällst?“ Schlagartig war es mit dem Höhenflug vorbei. Ein höhnisches Gelächter glaubte ich aus dem Nichts zu hören. Nein, diese Metapher war leider auch nicht geeignet, um mein Gottvertrauen zu beschreiben und zu fördern.

Verharre ich also weiter im Gebot des Dekalogs: „Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde“ (Exodus 20,4). Der matschige Weg und nicht die wärmende Herberge ist das Ziel.

Quelle: Rücktrittserklärung [von Margot Käßmann] im Wortlaut: „Bleibe bei dem, was dir dein Herz rät“. In: Spiegel-Online vom 24.02.2010

Kategorie(n): Heiliges und Unheiliges

5 Beiträge der Leser

  • Heriman

    // Mär 17, 2010 at 06:21

    Hallo,

    in diesem Zusammenhang fällt mir ein Gedicht von Rilke ein. Wir alle sausen durchs All in einer Art permanenten Fall. Das hindert Gott trotzdem nicht daran, uns zu halten, wenn wir wollen.

    Was übrigens den Luzifer anbelangt, den ewigen Unruheherd, so hat ihm Luther die richtige Antwort gegeben. Er warf nach ihm ein Tintenfass.

    Hier das Gedicht, das ich meine:

    Herbstgedicht

    Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
    als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
    sie fallen mit verneinender Gebärde.

    Und in den Nächten fällt die schwere Erde
    aus allen Sternen in die Einsamkeit.

    Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
    Und sieh dir andre an: es ist in allen.

    Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
    unendlich sanft in seinen Händen hält.

    (Rainer Maria Rilke)

    Ein wenig Zweifel gehört dazu; das Stellen von Fragen führt auch oft zu Antworten.

    Viele Grüße,
    Heriman

  • Anne

    // Mär 17, 2010 at 16:48

    Lieber Markus,
    der Spruch ist alt und stammt nicht von Frau Käßmann. Gott lässt sich nicht in Sprüche oder in unser kleines Hirn pressen. Ich will jetzt keine längeren Ausführungen machen, aber eigentlich können wir nur staunen und knien und darin zu aufrechten Menschen werden, die dankbar spüren, dass ihnen ihr Selbst am unbegrenzten Unnennbaren gewachsen ist.

    Grüß Gott

    Anne

  • stephan

    // Mär 18, 2010 at 20:27

    “Ich war über mich selbst erschrocken”,
    - war doch auch nicht schlecht.

    Ste

    Gruß von Petra, die das alles anders sieht.

  • Markus A. Maesel

    // Mär 19, 2010 at 12:36

    Hallo Heriman,

    mein Problem ist weniger das Gottvertrauen als die „Glaubensüberzeugung“ von Frau Käßmann. Hierzu muss ich anführen, dass für mich als Anhänger der Theologia negativa (mit Verwurzelung in der christlichen Mystik) eine Metapher hinsichtlich eines allmächtigen und unfassbaren Gottes nur eine Momentaufnahme, eine situationsbedingte Krücke sein kann. Käßmann zementiert aber das sprachliche Bild zu einer „Glaubensüberzeugung“. Luzifer tritt in meiner Betrachtung daher als korrigierendes Element auf, der das Bild notwendigerweise zerschlägt.

    Wenn man beispielsweise nach Auschwitz blickt, kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass hier Menschen zu Millionen durch die Finger von Gottes Hand gefallen sind. Wie ein polnischer Jude, der Auschwitz erlitten hatte und mit dem Gefühl weiterleben musste, durch diese Finger gefallen zu sein, mit Gott umging, ohne atheistisch zu werden, habe ich vor längerer Zeit auf Weltgeflüster dargestellt: http://www.weltgefluester.de/index.php/2008/06/27/gott-nach-auschwitz/

    Sein Umgang mit Gott im Leid liegt mir letztendlich mehr als Käßmanns Metapher. Wobei Käßmanns Bild durchaus einen wärmenden Effekt hat, aber als kurzlebiger Brikett und nicht als Dauerheizung Marke „Glaubensüberzeugung“. Der Weg ist das Ziel und nicht die wärmende Herberge.

    Viele Grüße und vielen Dank für die bisherigen ausführlichen Kommentare

    Markus Maesel

  • Helga

    // Apr 16, 2010 at 20:29

    Kann man nicht einfach die Aussage von Frau Käßmann so stehen lassen, einmal einfach so?

    Gruß Helga

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