ÜBERLEGENES LÄCHELN

Zugige Englisch-Experten

von Markus A. Maesel · 11.05.2010 · 2 Kommentare

Fast jeden Tag erlebe ich im ICE oder IC dasselbe Ritual. Der Zugführer begrüßt über Lautsprecher die zugestiegenen Fahrgäste, macht sie mit den Serviceangeboten seines Schnellzugs vertraut, Anschlusszüge und Verspätungen werden bekannt gegeben. Und dies nicht nur auf Deutsch, sondern auch in englischer Sprache – wie es sich für ein Verkehrsmittel gehört, das mit der Luftfahrt konkurriert.

Während der Zugchef seinen englischen Text herunterbetet, macht sich im Großraumwagen ein überlegenes Lächeln breit. Alle Passagiere scheinen Inhaber eines Cambridge-Zertifikats zu sein. Geballte Kompetenz, die sich über Aussprache und Grammatik der englischsprachigen Ansage mokiert; höheres Wissen, das ein gemeinsames, überhebliches Wellness-Gefühl in Büroklamotten schafft. Ehrfürchtig betrachte ich die bilingualen Wunderkinder in ihren blauen Zweite-Klasse-Sitzen.

Wenn ich dann später Fahrgäste bei ihren Handygesprächen mit ausländischen Geschäftspartnern höre, klingt ihr Englisch merkwürdigerweise meist auch nicht besser. Aber wahrscheinlich ist es das ungeschulte Ohr des pfälzischen Provinzlers, das den feinen Unterschied nicht wahrnehmen kann.

Im Laufe der Jahre habe ich nur einmal bei einer englischsprachigen Ansage lauthals gelacht – als das Zugrestaurant über Lautsprecher den staunenden Fahrgästen seine „Brezel Promotion Week“ verkündete.

Kategorie(n): Mobiles und Zugiges

2 Beiträge der Leser

  • Heriman

    // Mai 15, 2010 at 07:06

    Hallo,

    nicht, dass ein englischer Text heruntergeleiert wird, sondern das um jeden Preis international sein wollen verleitet meiner Meinung nach zu den gequälten Reaktionen der Passagiere.

    Wenn man am Fahrkartenautomat einer deutschen Stadt die Messe oder den Flughafen nicht findet und statt dessen nach Fair oder Airport suchen soll.

    Und was das Leiern anbelangt: Warum wird denn hier nicht ganz normal gesprochen? Egal, ob Akzent oder nicht. Die Internationalität im Flieger oder Zug scheint sich generell durch “klangliches Tieftauchen” der Sprecher zu manifestieren. Die hohe Stimme des Piloten oder Lokführers am Satzanfang, die sofort abstürzt, um bis zum Satzende in den Tiefen sonor und unverständlich rumzubrummeln. Ein steigender Seufzer zum Luftholen und erneuter Absturz vom nächsten Satzanfang.

    Und Inhalt und Sprache des Gebrummels sind völlig egal: Der Anschlußzug oder -Flieger ist eh schon weg…

    Viele Grüße,
    Heriman

  • Helga

    // Jul 7, 2010 at 20:15

    Irrer ist es noch, wenn man in der Straßenbahn vom Berliner Platz nach Oggersheim fährt. Es tönt doch wirklich aus dem Lautsprecher: mainstation. Wenn es nicht so träurig wäre, könnte man ja noch lachen.
    Helga

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