SCHOCKERLEBNIS

Sportschau

von Markus A. Maesel · 19.02.2011 · 0 Kommentare

„Ich möchte heute Abend die Sportschau sehen“, sagt mein siebenjähriger Sohn zu mir. Den Typen werde ich zur Rechenschaft ziehen, der meinem Filius gesagt hat, dass es diese Sendung überhaupt gibt. Ich hätte nicht entsetzter schauen können, wenn er gesagt hätte: „Ich möchte in den Puff gehen“. Mir war schon immer fremd, dass 22 erwachsene Männer 90 Minuten lang einem Ball hinterher rennen.

Ballspiele habe ich nie gemocht, die einzige Fußballweltmeisterschaft, die ich intensiv verfolgt habe, war die von 1974. Mwamba Kazadi in Zaires Tor mit seinen katzenartigen Sprüngen fand mein Gefallen, ebenfalls die frech spielenden Spieler aus Haiti (Spiel gegen Italien). Und dann dieses Tor von Jürgen Sparwasser beim Spiel Bundesrepublik Deutschland gegen die DDR. Dieser arrogant jubelnde DDR-Trainer Georg Buschner; der westdeutsche Untergang gegenüber dem ostdeutschen Arbeiter- und Bauernparadies. Es war furchtbar für meine frühjugendliche Seele. Die Antwort konnte nur der Nato-Doppelbeschluss sein.

Bis heute mag ich an internationalen Fußballspielen am meisten das Abspielen der Nationalhymnen. Der Nordkoreaner Jong Tae-Se, der bei dem Erklingen der Hymne seines Landes in Tränen ausbrach, gehört zu meinen stärksten Eindrücken der WM 2010, mit der ich durch meine fußballbegeisterte Ehefrau und die Kinder ständig konfrontiert wurde (vgl. Weltgeflüster-Beitrag „Oktopus Paul“).

Was habe ich in der Erziehung meines Sohnes nur falsch gemacht? Ich habe ihm Jesus, Franziskus von Assisi, Sandokan und Winnetou näher gebracht. Ich habe ihm in Indonesien gezeigt, dass männliche Initiationsrituale im Dschungel und nicht auf dem Fußballfeld stattfinden. Die Sportschau hat es hier im Haus noch nie gegeben, das ist der Untergang des Abendlandes. Meine Ehefrau solidarisiert sich mit ihrem Erstgeborenen, Mutter und Sohn beim Fußballkrakeele vor der Glotze vereint.

Die Tochter rennt hysterisch heulend zu ihrem Papa: „Das ist langweilig, ich möchte Nils Holgersson sehen“. Ich nicke verständnisvoll. Vater und Tochter im Protest vereint, flüchtend ins Youtube-Alternativprogramm. Wir trösten uns mit Punihei Anthonys grazilem Hula-Tanz (Link). Zarte hawaiianische Anmut gegen haarige Männerbeine auf grünem Rasen. Aloha ‘Oe.

Kategorie(n): Sonstiges und Undefinierbares

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