URLAUBSERFAHRUNG

Stuttgart ist überall

von Markus A. Maesel · 23.02.2011 · 1 Kommentar

Wie schon oft geschildert, bewege ich mich als Berufspendler werktäglich zwischen Ludwigshafen am Rhein und Stuttgart hin und her. Das ist zeitraubend und kräftezehrend. Im Urlaub versuche ich daher, vollkommen von der Fernpendelei und vom Arbeitsort abzuschalten. Ich käme in dieser Zeit nie auf die Idee, in die Schwabenmetropole zu fahren, obwohl ich samstags mit meiner Familie den ICE dorthin kostenlos benutzen darf. Doch egal was ich tue, die Diva Stuttgart sträubt sich gegen mein temporäres Vergessen.

Nehmen wir den Urlaub 2009. Ich befinde mich in Manado, das bereits im abgelegenen Ostindonesien liegt, und möchte mit dem Expressboot in den noch entlegeneren Sangihe-Talaud-Archipel entschwinden (vgl. Weltgeflüster-Beitrag Tahuna, Teil 1). Das Schiff arbeitet sich durch die blaue Celebessee und ich schwelge in Robinson-Gefühlen: nur Inseln, Vulkane, Palmen und ich. Plötzlich fällt an Bord mein Blick auf einen Manado-Chinesen und ich erbleiche. Er trägt ein schwarzes Polohemd mit schwarz-rot-goldener Trikolore und der Aufschrift „Porsche Germany Stuttgart“. Die Botschaft ist klar: „In drei Wochen sitzt Du wieder im ICE nach Stuttgart“.

Oder letztes Jahr. An meinem letzten Urlaubstag macht unsere Familie einen Ausflug nach Heidelberg. Wir fahren mit der historischen Bergbahn auf den Königsstuhl hoch und genießen dabei die Aussicht aus dem Gefährt. In unserem Abteil sitzen noch zwei junge Männer. Der eine meint im Stuttgarter Dialekt: „Das ist hier wie bei uns auf der Weinsteige“. Die Weinsteige passiere ich täglich mit der U-Bahn auf meinem Weg zum Arbeitsplatz. Die Ferienstimmung ist dahin.

Falls in diesem Jahr ein Geldregen auf mich hernieder prasseln sollte, würde ich mir einen lange gehegten Wunsch erfüllen und die Insel Kabakon bei Neuguinea besuchen. Sie war Anfang des 20. Jahrhunderts, als sie noch Neulauenburg hieß, Zentrum des Kokovorismus, einer kokosnuss- und sonnenanbetenden Heilslehre (vgl. Weltgeflüster-Beitrag Kokovorismus). Doch ich bin mir sicher – sobald ich auf dem Eiland lande, treffe ich auf einen übermotivierten Stuttgarter mit Spaten, der die Insel untertunneln möchte. Er wolle die Insel zukunftsfähig machen, wird er mir erklären. Sein Vorgehen sei alternativlos. Man ahnt es – Projekt „Kabakon 21“.

Doch was schreibe ich – in kokovoren Zeiten war bereits eine Stuttgarterin auf Kabakon, die die dortige esoterische Männerkommune ziemlich durcheinander brachte. Wahrscheinlich wollte sie die Kehrwoche auf der verschlafenen Tropeninsel einführen und hatte das entsprechende Schild an die Hüttentür des Sektenführers August Engelhardt gehängt.

Unter Fremdenlegionären, bei denen die harte Dschungelkämpferausbildung in Französisch-Guayana als Lebenseinschnitt zurückbleibt, gibt es den Spruch: „Du verlässt Guayana, aber Guayana verlässt Dich nicht“. Gilt etwa auch für mich: „Du verlässt Stuttgart, aber Stuttgart verlässt Dich nicht?“

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Indonesisches und Manadonesisches, Kurpfälzisches und Südwestdeutsches, Mobiles und Zugiges

1 Beitrag der Leser

  • hoetger

    // Feb 23, 2011 at 09:18

    tja, stuttgart “klebt” wie ich es immer nenne. aber vielleicht ist es self-fulfillig prophecy, dass dinge, die man meiden möchte, immer wieder auftauchen. im positiven sinne klappt das übrigens auch, wie ich feststellen konnte: als nordlicht mit ausgesprochener vorliebe für die frohsinns-metropole ‘kölle am rhing’ fällt mir natürlich jede noch so bescheidene erscheinung im schwabenländle auf, die mit dieser stadt und ihren netten bewohneren in verbindung zu bringen ist. so gibt es z.b. einige kneipen, die lecker kölsch im angebot führen. und wenn man genügend davon bestellt geht einem die umgebung dann auch nicht mehr so auf den wecker…

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Kommentar: