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Der Bauch

von Markus A. Maesel · 02.03.2011 · 0 Kommentare

Mein Bauch hat viele Kritiker. Die kleine Tochter: „Du bist ein bisschen dick“, die Ehefrau: „Früher warst Du schlanker“, der engere Familienkreis: „Im wievielten Monat bist Du eigentlich schwanger?“, die Verwandtschaft: „Du hast aber zugelegt“, ein Arbeitskollege: „Sie sollten etwas aufpassen“.

Als Antwort herrscht auf meiner Seite meist stumme Verlegenheit. Was soll ich auch sagen? Ich gehe auf die Fünfzig zu, werde älter, Testosteron-Mangel zeichnet meinen Körper, ich bestehe eben nicht mehr nur aus Muskeln und Samensträngen. Zudem komme ich als Fernpendler erst spät abends zum Essen, bin am Wochenende zu müde für längere Spaziergänge und Wanderungen, und huldige dem hellen Franziskaner Hefeweizenbier. Ich verfüge, um es in der Jugendsprache auszudrücken, über den Ansatz zu einem Brauereitumor. Dem weiteres Wachsen und Gedeihen beschieden sein wird.

Doch meine Kritiker werden eines Tages von der biblischen Weisheit eingeholt: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden“. Warten wir die nächste Finanzkrise ab. Wenn nicht nur der Euro, sondern auch die Arbeitsplätze wackeln, wird mein Bauch die gesamte Familie retten. Ich bewerbe mich dann in einem kleinen chinesischen Tempel zwischen Schanghai und Kanton als Buddha. Dort liebt man nicht die ästhetischen, wohlgeformten Buddhafiguren Südostasiens, sondern dicke, schwabbelnde, breit lachende Exemplare mit Doppelkinn und dicken Ohrläppchen, deren Bauch aus dem Gewand hervorquillt. Was interessiert Chinesen Grazilität? Fett ist Wohlstand.

Ich werde am Ende einer in Rot, Grün und Gold gehaltenen Tempelhalle thronen. Im matten Licht der Öllampen wird meine Aura besonders zur Geltung kommen, der süßliche Geruch der Räucherstäbchen wird in weißen Rauchfäden zu mir aufsteigen, Bonzen unterhalten mich mit ihren monotonen Gesängen. Mein deutscher dàdùzi – dicker Bauch – wird Neid in den Nachbartempeln und Ehrfurcht bei den Besuchern erwecken, ihnen wirtschaftlich goldene Zeiten verheißen. Ich werde ihn mit Babyöl polieren und mit Weizenbier stärken, falls ich ohne Hexenschuss aus dem Lotussitz wieder hochkomme.

Jeden Monat werde ich einen ansehnlichen Scheck der darbenden Familie ins krisengeschüttelte Deutschland schicken und damit ihr Überleben sichern. Chinesische Unternehmer, Angestellte und Wanderarbeiter werden inbrünstig und ausgiebig meinen Bauch tätscheln. Das bringt ihnen Glück und Reichtum. Und wenn ausgebeutete Fabrikarbeiterinnen gierig noch tiefer, nach dem Edelstein im Lotus greifen? Dann wird der Bambus in ungeahnte Höhen schießen. Wie peinlich für die Würde meines meditativ-entrückten Amtes.

[Mein Verhältnis zu Buddhastatuen habe ich bereits auf Weltgeflüster in den Beiträgen „Und Buddha schweigt“ sowie „Pink Buddha“ thematisiert].

Kategorie(n): Heiliges und Unheiliges, Makaberes und Skurriles

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