ADLER UND GARUDA

Schwiegermutters Heimflug

von Markus A. Maesel · 23.03.2011 · 0 Kommentare

Meine Schwiegermutter fliegt nach Indonesien zurück. Es ist Anfang September 2007. Drei Monate war sie in Deutschland, um ihre Tochter mit dem Neugeborenen zu unterstützen. Zwanzig Kilogramm Reisegepäck darf sie haben. Die vielen Mitbringsel, die sie in ihrem Schlafzimmer gestapelt hat, wiegen deutlich mehr. Übergepäck im Flugzeug ist teuer, -zig Euro pro Kilogramm. Meine Frau weiß, dass ich solche Unsummen nicht bezahlen werde und kann. Die Nacht vor dem Abflug höre ich die gedämpften Stimmen der beiden Frauen, sie sortieren aus. Auch die drei Gläser Erdbeermarmelade, die Schwiegermutter unbedingt nach Sulawesi mitnehmen wollte. Immer wieder werden Gepäckstücke auf die Personenwaage gestellt.

Am nächsten Tag fährt uns ein Freund zum Frankfurter Flughafen. Kurz vor der Autobahnabfahrt Kelsterbach teilt mir meine Frau mit leiser Stimme mit, dass sie noch 16 Kilo Übergepäck haben. Zuvor seien es 25 Kilo zuviel gewesen. Ich werde sehr unasiatisch und raste aus. „Lass uns nur machen“, sagt meine Frau. Das steigert nur noch meine Wut. Immer diese indonesische Anarchie, die Vorschriften, Normen und Gesetze zu unterlaufen sucht. Ich brenne darauf, dass die beiden Frauen mit einer sonderpädagogischen Behandlung am Flughafenschalter ihre Grenzen gezeigt bekommen. Der deutsche Adler wird in die Terminalhalle hinabsteigen und dem indonesischen Göttervogel Garuda die Federn gründlich zurechtrücken.

Bei Qatar Airways sind zwei Schalter geöffnet. Hinter dem einen steht eine resolute deutsche Servicekraft, am anderen ein junger, schüchtern wirkender Araber. Mutter und Tochter reihen sich vor dem Schalter des jungen Mannes in die Schlange ein. Ich stelle mich mit den Kindern und dem Freund abseits hin, das aufziehende Drama will ich nicht miterleben. Ich mache mir stattdessen Gedanken, wo wir genügend Plastiktüten herbekommen, um die auszupackenden 16 Kilo zu verstauen. Die beiden Frauen stehen inzwischen vorne am Schalter, raspeln Süßholz, werben um Verständnis und lächeln den Wüstensohn gnadenlos nieder. Dieser wird immer verlegener. Das komplette Gepäck geht unbeanstandet über das Förderband.

Triumphierend kommt meine Gemahlin auf mich zu: „Siehst Du, es geht doch. Du machst Dir immer viel zu viele Gedanken. Immer Deine Angst“. Und Garuda lächelt den zersausten Adler an.

Kategorie(n): Indonesisches und Manadonesisches, Mobiles und Zugiges

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