VERSTIMMUNG

Trauriges Klavier

von Markus A. Maesel · 30.03.2011 · 1 Kommentar

Die folgende Geschichte hat mir vor dreizehn Jahren eine Indonesierin aus Jakarta erzählt. Sie soll sich in ihrer Nachbarschaft zugetragen haben. Dort lebte ein Kind, dessen Eltern einen gewissen Wohlstand erreicht hatten und ein Klavier besaßen. Das Kind war schwerkrank und verbrachte die meiste Zeit an dem Instrument. Seine Ängste, Hoffnungen, Sehnsüchte, die gesamte Traurigkeit fanden über die weißen und schwarzen Tasten Ausdruck in Musik. Irgendwann starb das Kind. Seine Traurigkeit blieb in dem Klavier. Niemand konnte nach dem Tod des Kindes dem Tasteninstrument eine fröhliche, beschwingte Melodie mehr entlocken. Bald ertrugen die Eltern die Molltöne nicht mehr und verkauften das Klavier. Irgendwo in Jakarta verbreitet es nun seine Melancholie in schwülheißen Tropennächten. Und wäre nicht ständig eine Dunstglocke über der Millionenstadt, könnte man die Sterne weinen sehen.

Kategorie(n): Indonesisches und Manadonesisches

1 Beitrag der Leser

  • Heriman

    // Apr 2, 2011 at 07:51

    In der Musik werden Ideen durch den Musiker und das Klavier nur zum Klingen gebracht. Das ist der Zweck und Sinn eines Organons. Genau so, wie auch Geist erst durch einen Körper zur Persönlichkeit wird.

    Wenn also dieses Instrument nur noch traurige Töne von sich gab, dann wurde es einfach nur unzureichend gespielt. Welch eine Verschwendung! Ich bin sicher, dem ehemaligen Spieler hätte es besser gefallen, hätte sich jemand die Mühe gegeben, seinem wertvollen Instrument auch fröhliche Töne zu entlocken.

    So aber blieben alle die guten, fröhlichen Ideen, Hoffnungen und Sehnsüchte ungehört und unverstanden.

    Die Sterne haben übrigens bestimmt nicht geweint. Denen war das Schnuppe.

    Viele Grüße,
    Heriman

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Kommentar: