SEILHERSTELLUNG IN INDONESIEN

Tali ijuk

von Markus A. Maesel · 13.04.2011 · 0 Kommentare

Ignatius Merung wurde bereits als letzter traditioneller Besenbinder in Kaima, einem Minahasa-Tonsea-Dorf im Nordosten der indonesischen Insel Sulawesi, vorgestellt (vgl. Weltgeflüster-Beitrag „Sapu lantai“). Aber Besenmachen ist für ihn nur eine von mehreren Tätigkeiten. Gelegentlich dreht er für den Hausgebrauch auch auf traditionelle Art und Weise Seile (Tali). Dafür benutzt er die rosshaarähnlichen, schwarzen Fasern des Blattgrundes der Arengapalme (Pohon enau/aren, Arenga saccharifera, Zuckerpalme). Diese Fasern heißen auf Indonesisch „Ijuk“ oder „Gomutu“ auf Manado-Malaiisch. Ijuk holt Ignatius Merung aus einem dschungelnahen Waldgarten (Kebong) (Abbildung 1). Bildet dieses nach dem Ablösen vom Stamm eine geschlossene Matte, wird es zum Besenbinden verwendet. Ist das Ijuk durchlöchert oder zerfetzt, dient es der Herstellung von Seilen.

Wichtigstes Gerät für die Seilherstellung ist das Alat pintal oder Kéndongan, wie es auf Manado-Malaiisch heißt. Das indonesische Wort „Alat“ bedeutet „Werkzeug“ oder „Gerät“; „pintal“ „zusammengesetzt“, „geflochten“, „verflochten wie eine Kordel“.

Das Alat pintal hat die Form eines Andreaskreuzes und ist als eine Art Spindel zu sehen. Eines der beiden unteren Enden des Werkzeugs hat einen Haken; das andere einen Griff, der aus einer beweglichen Bambushülse besteht (Abbildung 2). Bei der Seilherstellung werden zuerst Fasern der Ijuk-Matte an das Ende mit dem Haken gezupft und befestigt (Abbildung 3). Dann wird das Alat pintal mit dem beweglichen Bambusgriff ständig um die eigene Achse gedreht. Dabei werden weitere Fasern fortlaufend aus dem Ijuk gezogen (Abbildungen 4 und 5). Durch die Drehbewegungen entsteht eine Kordel, die sich am Kreuzungspunkt der beiden Stäbe des Alat pintal wie bei einer Spule aufwickelt (Abbildung 6).

Ist die „Spule“ voll, wird das Seil zwischen zwei Stäben, die in den Boden geschlagen werden, abgewickelt (Abbildung 7). Taue entstehen dadurch, dass mehrere Ijuk-Kordeln mithilfe des Alat pintal miteinander verzwirnt werden.

Die Seile dienen vor allem als Verbindungen für Zaunelemente (Abbildung 8) sowie beim Hütten- und Hausbau. Aber nur noch wenige Dorfbewohner stellten ihre Seile selbst aus Ijuk her, meint Ignatius Merung resignierend. Bequemer sei es, welche aus Plastik zu kaufen. Bis in die 1950er Jahren habe es keine Plastikseile in der Minahasa gegeben. Plastikverbindungen erschlafften viel schneller und gingen vorzeitig kaputt. Seilverbindungen aus Ijuk hielten dagegen zehn Jahre. Gleichwohl weiß Ignatius Merung, dass die Tage des Ijuk-Seils in der Minahasa gezählt sind.

Seilherstellung (Tali ijuk) in Einzelschritten

Abbildung 1: Ijuk-Fasern werden aus einem 3 km entfernten, dschungelnahen Waldgarten geholt. – Fotos: Markus A. Maesel

Abbildung 2: Alat Pintal (Kéndongan), das Werkzeug für die Seilherstellung, auf einer Ijuk-Matte

Abbildung 3: Ignatius Merung zupft erste Ijuk-Fasern an die „Spindel“ des Alat-Pintal ….

Abbildung 4: …. und dreht es langsam, bis ein erster Strang entsteht.

Abbildung 5: Das Seil entsteht durch permanentes Drehen des Alat pintal in relativ kurzer Zeit.

Abbildung 6: Ijuk-Seil, aufgewickelt auf der „Spule“ des Alat Pintal

Abbildung 7: Das Ijuk-Seil wird zwischen zwei Stäben abgewickelt

Abbildung 8: Ignatius Merung befestigt mit Tali ijuk einen Zaun, der seine Hühner vom Nachbargelände fernhalten soll.

[Vgl. Markus A. Maesel: „Tali ijuk“ – Seilherstellung bei den Minahasa. Traditionelle Seile müssen trotz technischer Überlegenheit Produkten aus Kunststoff weichen. In: Holz-Zentralblatt Nr. 62 vom 24.05.2002, S. 730].

Anmerkung: Der Beitrag gibt den Stand Juli/August 2001 wieder.

Kategorie(n): Geschichtliches und Völkerkundliches, Handwerkliches und Kreatives, Indonesisches und Manadonesisches

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