GUMMIZEIT

Gebremst nach Kinshasa

von Markus A. Maesel · 08.06.2011 · 0 Kommentare

Ein deutsch-indonesischer Albtraum durchwühlt meinen Schlaf. Ich träume, dass wir günstige Flugtickets nach Sulawesi, der Heimatinsel meiner Frau, ergattert haben. Allerdings mit einer obskuren Fluggesellschaft namens „Air Zaire“, die mit Zwischenstopp in Kinshasa (Kongo) den Sukarno-Hatta-Airport in Jakarta anfliegen will. Air Zaire startet jedoch nur von einem entlegenen deutschen Flughafen aus. Da die Maschine frühmorgens starten soll, müssen wir in seiner Nähe eine Übernachtung einplanen. Wir nächtigen in einem großen Schlafsaal. Wir – das sind meine bessere Hälfte, die beiden Kinder und viele Menschen aus unserem Wohnumfeld, die plötzlich alle preiswert nach Indonesien reisen wollen.

Es ist Zeit aufzustehen – wir müssen zum Flughafen. Ich versuche die Anwesenden im Schlafsaal zu wecken, nur langsam kommen sie in Gang, bleiben im Bad und auf der Toilette hängen, manche schlafen gleich wieder ein. Die Zeiger der Uhr bewegen sich unbarmherzig nach vorne, ich werde immer hektischer. Jam karet, die indonesische Gummizeit, regiert – das Unvermögen einzuschätzen, was in knapper Zeit tatsächlich noch zu bewältigen ist. Quälendes Zeitlupentempo. Meine Ehefrau im gelben Bademantel schaut mich seelenruhig an: „Wir haben noch viel Zeit bis die Maschine startet“. Dann feilt sie weiter ihre Fingernägel. Jetzt werde ich heftig: „In eineinhalb Stunden ist der Abflug. Und ihr seid nicht einmal angezogen und müsst noch eure Sachen zusammenpacken. Dann müssen wir mit Taxis zur nächsten U-Bahn-Haltestelle fahren und am Schalter von Air Zaire einchecken“. „Das klappt schon“, entgegnet meine Angetraute ungerührt.

Ich bin außer mir und schrecke aus dem Schlaf auf. Den Wecker habe ich überhört, ich muss nach Stuttgart an meinen Arbeitsplatz und nicht nach Kinshasa, mit dem ICE und nicht mit Air Zaire. ICE? Den schaffe ich nicht mehr. Also fahre ich eine Dreiviertelstunde später mit dem Intercity. „Beim nächsten Flug nach Indonesien richtest Du Dich nach meinen Zeitvorgaben. Schluss mit Jam karet und der ganzen Hektik!“, sage ich zum Abschied meiner verdutzten Ehefrau an der Haustür.

Ich stehe auf dem Ludwigshafener Hauptbahnhof. Der Zug hat Verspätung, in Stuttgart ist meine U-Bahn nach Leinfelden schon weg, während der Kernzeit steche ich erst in meinem Betrieb ein. Vom Büroturm aus kann ich auf dem nahen Stuttgarter Airport die Flugzeuge starten und landen sehen. Vielleicht erreiche ich doch noch rechtzeitig die Maschine von Air Zaire nach Kinshasa. In der Ferne höre ich bereits das tiefe Gurgeln und schäumende Rauschen des machtvollen Kongo-Stromes.

[Geträumt und erlebt am 7. Juni 2011].

Kategorie(n): Indonesisches und Manadonesisches, Kurpfälzisches und Südwestdeutsches, Mobiles und Zugiges

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