PAMPHLET

Gegen den Weihnachtsmann

von Markus A. Maesel · 06.12.2011 · 3 Kommentare

Erinnern Sie sich noch an Donald Rumsfeld? Den US-amerikanischen Verteidigungsminister, der 2003 Deutschland und Frankreich verächtlich als „altes Europa“ bezeichnete, weil sie ihm nicht in den Irak-Krieg folgen wollten?

Doch Donald Rumsfelds Weihnachten wäre ohne uns „alte“ Deutsche, besonders ohne uns Pfälzer, eine traurige Angelegenheit. Diese Erkenntnis verdanke ich einem Beitrag, der vor einigen Jahren in meiner Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ erschienen ist. Der berühmte amerikanische Karikaturist Thomas Nast (1840-1902), der aus der Pfalz stammte, erfand nämlich nicht nur das Dollarzeichen, sondern brachte auch den „Belzenickel“, eine Art pfälzischer Nikolaus mit herbem Naturell, in die Neue Welt mit und machte ihn durch seine Zeichnungen populär. Im Rahmen einer Coca-Cola-Werbekampagne mutierte er 1931 zum amerikanischen Weihnachtsmann. Die Vorlage bildete ein Coca-Cola-Fahrer, die Konzernfarben finden sich im Weihnachtsmann wieder. Der heutige amerikanische Weihnachtsmann ist also nichts anderes als der coca-colaisierte, zuckersüße, unsäglich verkitschte pfälzische Belzenickel.

Schlimm dabei ist, dass er als Reimport über den großen Teich schwappen konnte und seitdem mit überzogenem Selbstbewusstsein das heimische Christkind immer mehr in die Defensive drängt. Er dominiert inzwischen in Kaufhäusern, Fußgängerzonen, auf Weihnachtsmärkten. Über die Fernsehwerbung dringt er ins Wohnzimmer und damit in die Kinderhirne ein. Jeden Kinderansprecher mit Bonbontüte würden Eltern vom Sandkasten wegjagen; der nette, rundliche, weißbärtige Onkel darf hingegen ungeprüft mit seinen bunten Paketchen ins Haus und die Kinder zu hemmungslosem Konsum verführen. Die Hohoho-rufende Geschenkeschleuder hat Weihnachten zum „Orgasmus des Kapitalismus“ gemacht. Der Weihnachtsmann ist der tatsächliche Sieg der Neuen über die Alte Welt. Für die Unterlegenen wird der Grinch zur Lichtgestalt.

Wäre der Weihnachtsmann in Afghanistan oder Pakistan beheimatet, hätte ihn die US-Army wegen seiner Bartfülle und seinem Zipfelturban schon längst als Taliban erschossen oder entdrohnt. Außerdem hätte sie umgehend die amerikanische Öffentlichkeit über die schlüpfrige Videosammlung von Osama bin Xmas informiert. Doch Dank seiner Coca-Colaisierung steht er in Amerika unangreifbar als dritte Institution neben „Bible and Constitution“.

Die Eltern haben im Kampf gegen den Weihnachtsmann versagt, aber warum schläft auch der konflikterprobte deutsche Feminismus? Wo bleibt im Zeitalter hochsubventionierter „Gender Studies“ der Ruf nach der Weihnachtsfrau, in lila statt in rot, Damenbart statt weißer Gesichtsmatratze? Oder warum setzt sich die Frauenbewegung nicht gleich für das Christkind ein? Die Argumente für das Christkind liegen doch auf der Hand: femininer Einschlag, gendersensibel, kindgerecht und vom Reformator Martin Luther empfohlen. Erinnern wir uns an die Darstellung des Himmelswesens auf dem hinteren Buchdeckel des „Struwwelpeter“, mit entsprechendem Gedicht:

„Wenn die Kinder artig sind

Kommt zu ihnen das Christkind;

Wenn sie ihre Suppe essen

Und das Brot auch nicht vergessen,

Wenn sie, ohne Lärm zu machen,

Still sind bei den Siebensachen,

Beim Spaziergehn auf den Gassen

Von Mama sich führen lassen,

Bringt es ihnen Gut’s genug

Und ein schönes Bilderbuch“.

Doch auch ich bin ein einsamer Guerillero gegen den Weihnachtsmann. Ziemlich bald als meine indonesische Ehefrau nach Deutschland kam, erstand sie in einem Ramschmarkt eine barock-üppige Weihnachtsmannfigur, die seitdem ab der Adventszeit unangefochten auf der Lautsprecherbox meiner Stereoanlage steht. Bewacht von Frau und den beiden Kindern. Im Südtiroler Autonomiekampf war es sicherlich leichter in Bozen ein Garibaldi-Denkmal in die Luft zu sprengen, als für mich an den Weihnachtsmann im heimischen Wohnzimmer heranzukommen. Hier hilft nur noch Tücke. Ich werde das Ludwigshafener Ausländeramt benachrichtigen, dass sich bei uns im Wohnzimmer ein US-Amerikaner ohne Aufenthaltsgenehmigung breit gemacht hat. Der zudem noch einen illegalen Paketdienst betreibt. Ab ins Flugzeug und Tschüss. Soll sich doch Donald Rumsfeld dieses neuweltliche Kitschteil auf seinen Nachttisch stellen.

Kategorie(n): Geschichtliches und Völkerkundliches, Heiliges und Unheiliges, Kurpfälzisches und Südwestdeutsches

3 Beiträge der Leser

  • oliver heintz

    // Dez 7, 2011 at 09:02

    Sehr amuesant! Viele subtile Wortwitzeleien, wie ‘entdrohnt’ :-)

  • Anne Bünger

    // Dez 14, 2011 at 09:00

    Regst Du dich aber auf wegen dem Belzenickel! Du siehst doch, wie selbst Deine eigenen wohlerzogenen und frommen Kinder ihn mögen!
    A propos Christkind bin ich der Meinung, man sollte die Geburt Christi wieder auf den 06.01. verlegen und Weihnachten in Schenkfest umbenennen. Vielleicht wirkte dies wie eine Demaskierung beim Karneval. Die Schenkwut wäre sozusagen entheiligt und das Christkind entkitscht. Aber wer weiß, was das dann für eine Bescherung wäre?!

    Gruß Anne

  • Helma Freese

    // Dez 22, 2011 at 14:18

    Lieber Markus A. Maesel,
    mit Schmunzeln und auch Nachdenklichkeit Ihr Pamphlet gelesen und weiter empfohlen.
    Ich werde in Zukunft öfter unter “Weltgeflüster” nachlesen.
    Weiter so.

    In diesem Sinne
    “Frohe Weihnachten”

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