WORTBETRACHTUNG

Arschloch

von Markus A. Maesel · 11.07.2012 · 4 Kommentare

Meine beiden Kinder haben die Urgewalt und die Wirkmächtigkeit des Wortes „Arschloch“ entdeckt. Ich weiß nicht, wie der Fäkalausdruck in ihren Sprachgebrauch einsickerte, aber fast jede Streiterei zwischen Bruder und Schwester gipfelt inzwischen in kürzester Zeit in einem derben „Arschloch“ – mal brüllend, mal weinend, mal hysterisch, aber immer lautstark vorgetragen. Und in der Ferienzeit nehmen die kindlichen und kindischen Auseinandersetzung eher zu als ab, steigende A-Frequenz.

Ich versuche meinen Kindern zu vermitteln, dass „Arschloch“ ein übles Schimpfwort ist und dass das Wort in seiner Häufung einer Sozialprognose gleichkommt. Ich drohe mit Verboten. Doch die Stigmatisierung des Begriffes erhöht dessen Reiz. Immer wieder schießt ein herzhaftes „Arschloch“ partisanenartig durch den Raum.

Inzwischen greift das A-Virus auch meine grauen Zellen an. „Haben die Brüder Grimm in ihrem „Deutschen Wörterbuch“ dieses Unwort bereits festgehalten?“, frage ich mich plötzlich. Ja, haben sie. Sie kannten darüber hinaus noch das heute verloren gegangene Adjektiv „arschlochig“ (Zur Quelle). Mit Grauen denke ich an die Kombinationsmöglichkeiten und die Auswirkungen, wenn dieses Wiewort in unserer Sprache wieder auferstehen sollte. Liebe Leserinnen und Leser – ich bitte Sie um absolutes Stillschweigen.

Bei meinen A-Recherchen bin ich auch auf den deutsch-amerikanischen Schriftsteller Charles Bukowski gestoßen, der sich 1974 in seinem ersten Roman „Der Mann mit der Ledertasche“ zum Protagonisten des A-Lochs mauserte, dessen egalisierende, demokratische und universelle Dimension in markanten Worten herausarbeitete: „Was hast du denn gegen Arschlöcher? Baby? Du hast ein Arschloch, ich hab ein Arschloch! Du gehst in den Laden und kaufst ein zartes Steak, das auch mal ein Arschloch hatte! Arschlöcher bedecken die ganze Erde! In gewissem Sinne haben auch Bäume Arschlöcher, man kann sie nur nicht finden: sie lassen nur ihre Blätter fallen. Dein Arschloch, mein Arschloch, die Welt ist voll von Millionen und Abermillionen von Arschlöchern. Der Präsident hat ein Arschloch, der Schuhputzjunge hat ein Arschloch, der Richter und der Mörder haben Arschlöcher … selbst die rote Krawattennadel hat ein Arschloch!“ (Zur Quelle).

Doch gegen die A-Attacken in meinem unmittelbaren Lebensumfeld bietet mir die Literatur weder Trost noch verhilft sie mir zu Gelassenheit. Nach einem erneuten geschwisterlichen Streit schallt schon wieder ein tränenersticktes „Arschloch“ durch die aufgeräumte Wohnzimmeridylle. Nein, ich ertrage das nicht mehr, jetzt ist für immer Schluss. Ich steigere mich zur altväterlichen Drohgebärde und kündige den pädagogischen Nuklearschlag an: „Wenn ich dieses Wort noch einmal höre, ziehe ich den Gürtel aus meiner Hose und versohle euch beiden den Hintern“. Kurzes Schweigen. Dann mein Filius entsetzt: „Aber Papa, dann rutscht dir doch die Hose herunter“. Schrittweise Enthüllung eines Arschlochs?

Kategorie(n): Makaberes und Skurriles, Sonstiges und Undefinierbares

4 Beiträge der Leser

  • Harriet Oerkwitz

    // Jul 11, 2012 at 22:10

    Schönes Bild :)

  • Götz von Berlichingen (Oliver Heintz)

    // Jul 12, 2012 at 05:09

    Das A-wort wird offenbar im deutschen Sprachraum und hier inbesondere in Deutschland (und von Männern) deutlich häufiger verwendet als in jedem anderen Kulturraum. Woran das wohl liegen mag?

  • Helga Moll

    // Jul 13, 2012 at 10:52

    Kinderlogik ist einfach köstlich.
    Gruß Helga

  • Anne Bünger

    // Jul 14, 2012 at 13:40

    Wer Arschloch sagt, scheißt auf die Kultur! Pfui!

    Anne

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Kommentar: