Normalerweise rege ich mich ziemlich auf, wenn Bibelzitate aus dem Zusammenhang gerissen und instrumentalisiert werden. Besonders Fundamentalisten und Charismatiker lieben diese Form der Rosinenpickerei. In der letzten Ausgabe meiner Sonntagszeitung habe ich mich ausnahmsweise einmal über einen solchen theologischen Korinthengrapscher amüsiert. Dieser, ein alter Jamaikaner und Mitglied der Rastafarier-Sekte im äthiopischen Shashamane, erklärte dem staunenden Reporter, dass der Konsum von Marihuana durch die Bibel gedeckt sei. Als Belege führte er Matthäus 12,20 an: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht nicht auslöschen“ sowie Psalm 18: „Rauch stieg aus seiner Nase auf, aus seinem Mund kam verzehrendes Feuer“.
Ließe sich nicht auch mit dem ersten Zitat bereits die Existenz von Viagra in biblischen Zeiten nachweisen? Und warnt Psalm 18 nicht schon vor den Nebenwirkungen dieses Potenzmittels? Aber vielleicht belegt das zweite Bibelzitat lediglich, dass die neuweltliche Chilischote schon vor Kolumbus ins Heilige Land gelangt ist? Thor Heyerdahls Ra-Expedition lässt grüßen. Sie sehen, liebe Leserinnen und Leser, ich kann mich schon allein mit Worten bekiffen. Morgens ein verbaler Joint, und der Tag ist dein Freund.
[Quellen: Philipp Hedemann: Joints im Paradies. In: Die Rheinpfalz am Sonntag Nr. 14 vom 7. April 2013, S. 8; zu Thor Heyerdahls Ra-Experimenten vgl. Wikipedia].
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