VORWARNUNG ANGLIZISMUS

Love bombing

von Markus A. Maesel · 17.04.2013 · 0 Kommentare

Dass ich kein Freund anglo-amerikanischen Sendungsbewusstseins bin, habe ich noch nie verheimlicht und hier auf „Weltgeflüster“ schon öfter kundgetan. Besonders allergisch reagiere ich in der täglichen Redaktionsarbeit auf Anglizismen in Presseerklärungen, die mich nicht eher ruhen lassen, bis ich (meist) ein deutsches Wort als Gegenstück gefunden habe. Als Pfälzer bin ich eben Germane mit romanischem Gemüt und damit mehr dem lateinischen Kulturkreis zugeneigt. Man möge mir meine provinzielle Altbackenheit verzeihen.

Neulich saß ich mit zwei Mitschülern meines Abiturjahrgangs 1983 gemütlich im Volkshaus der Ludwigshafener Gartenstadt beim Bier. Hier gilt Hochdeutsch fast schon als Fremdsprache; der pfälzische Dialekt behauptet unangefochten die Lufthoheit über den Wirtshaustischen. Doch dann platzte ein mir bisher nicht bekannter Anglizismus in die sprachliche Unschuld des holzvertäfelten Schankraumes, der mich erschaudern ließ. Der eine Kommilitone war gerade auf einem Seminar mit dem Begriff „Love bombing“ konfrontiert worden. Die Wortkreation wurde dort gebraucht im Sinne von jemanden übermäßig bzw. über den grünen Klee loben, ihn mit Lob überschütten. Die passenden Substantive dürften wohl – je nach Standpunkt – Charmeoffensive, Schmeichelei oder Schleimerei lauten. Wie lange wird es jetzt noch dauern, bis der Begriff von den Fortbildungsseminaren in die Medien gelangt und sich dann über inflationäre Verwendung in den Hirnen der Masse festsetzt? In spätestens einem knappen Jahr werden wir mit Liebe zugebombt, ist meine Prognose.

Der Begriff geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Weiterführende Informationen über dessen Gebrauch im angelsächsischen Raum fand ich in der englischsprachigen Wikipedia. Danach ist „Love bombing“ in den 70er Jahren im Umfeld so genannter Jugendsekten entstanden. Es bezeichnet das Vorheucheln emotionaler Nähe, um potenzielle Mitglieder zu umgarnen. Dabei werden die Opfer mit rosaroten Gefühlen geradezu überschüttet. Eine Sonderform ist der „Love Jihad“ oder „Romeo Jihad“, bei der junge Muslime versuchen, unter vorgetäuschten Liebesaufwallungen christliche oder hinduistische Mädchen zur Konversion zum Islam zu bewegen.

Ohne all diese Hintergrundinformationen hätte ich „Love bombing“ mit einem Sketch mit Walter Giller verbunden, welcher in der Ur- und Frühgeschichte meiner Existenz einmal im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Darin klingelt Giller kahlköpfig und im fernöstlichen, orangegelben Mönchsgewand an einer Haustür. Der öffnenden Hausfrau säuselt er entgegen: „Guru Wischiwaschi liebt dich“. Worauf die Frau genervt die Tür zuschlägt. Daraufhin fliegt ein Stein durch die Türverglasung und der Sannyasin ruft mit lauter Stimme: „Guru Wischiwaschi liebt dich aber trotzdem“.

[Vgl. Artikel „Love bombing“ und „Love Jihad” in der englischsprachigen Wikipedia].

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Kurpfälzisches und Südwestdeutsches, Sonstiges und Undefinierbares

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