FRAUENLEID

Die Retter sind unter uns

von Markus A. Maesel · 27.05.2013 · 1 Kommentar

Händeschütteln im Foyer eines Gemeindezentrums, die Gäste eines runden Geburtstages machen sich gegenseitig bekannt. Eine ältere Frau mit Pagenschnitt, violetter Jacke und rosa Schal erblickt meine junge indonesische Ehegattin, die beiden kleinen farbigen Kinder und mich als graumeliertes Familienoberhaupt. Sofort fangen bei ihr sämtliche Alarmknöpfe zu blinken an, das Beuteschema stimmt. Sie begrüßt meine Frau und fragt sogleich, ob sie aus Liebe nach Deutschland gekommen sei. Meine Angetraute ist verdutzt und sprachlos, anstatt nach dem ihr zugeworfenen violett-rosafarbenen Rettungsring internationaler Frauensolidarität zu greifen.

Die postmoderne Suffragette hätte hören wollen: „ Nein, ich bin nicht aus Liebe in Deutschland. Dieser Lustgreis hat mich armes Mädchen vom Lande aus dem Katalog bestellt. Und weil bei dem Menschenhändler damals der Aktionspreis „Take three, pay two“ galt, sitzen noch zwei weitere Leidensgenossinnen bei diesem Sexmonster zuhause im Keller. Täglich reißt mir er die Kleider vom Leibe, schon zweimal hat mich das Ekel geschwängert. Schluchz, helfen Sie mir in die tropische Freiheit zurück!“ Doch die von weltweitem Frauenleid bewegte Aktivistin bleibt mit ihren blinkenden Druckknöpfen alleine zurück; die Visitenkarten von Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen müssen ungezückt in der Handtasche stecken bleiben.

Vor einigen Jahren reagierte meine bessere Hälfte auf einem Kirchentag schlagfertiger in einer solchen Situation. Dort sprach sie ein für globale Ausbeutung und Ungerechtigkeit sensibilisierter Christenmensch in englischer Sprache an. „Sie können ruhig Deutsch mit mir reden“, verblüffte sie ihn. Auf die besorgte Frage, in welchen sozialen Verhältnissen sie hier in Deutschland lebe, enttäuschte sie ihn: „Mein Mann ist Doktor“. Wieder war ein Rettungsangebot gescheitert und ein hilfsbereiter Zeitgenosse blieb auf seinen Stereotypen sitzen. Der Unterschied zwischen einem Gutmenschen und einem guten Menschen liegt eben in der Knopfdruckbetroffenheit.

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches

1 Beitrag der Leser

  • Harriet Oerkwitz

    // Mai 28, 2013 at 07:35

    Spitzfindig beobachtet - vielen Dank.

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