GEDANKEN BEIM GRILLEN

Laurentius, Madame Nhu und mehr

von Markus A. Maesel · 13.07.2013 · 0 Kommentare

Sonntagnachmittags in unserem kleinen Reihenhausgarten. Kegelförmig habe ich im runden Metallgrill die Holzkohlebriketts aufgeschichtet, Esbitstücke dazwischen geschoben und angezündet. Bei meinen beiden linken Händen bin ich froh, dass es in unserer abendländischen Kultur für fast jede Tätigkeit einen Schutzpatron gibt. Der hl. Laurentius ist für die Köche zuständig, damit würde auch das Grillen in seinen Aufgabenbereich fallen. Die Holzkohle ist durchgeglüht, ich schiebe den Rost darüber und lege eine Alu-Grillschale mit Steaks darauf. Der Rost wurde übrigens Mitte des 3. Jahrhunderts dem hl. Laurentius zum Verhängnis. Als er vor dem römischen Kaiser Valerian seinem christlichen Glauben nicht abschwören wollte, und auch die Folter nicht die gewünschte Wirkung zeigte, ließ ihn der Herrscher auf einem Rost über Feuer langsam zu Tode martern. Schwarzhumorig soll dabei Laurentius seine Peiniger aufgefordert haben, ihn auf dem Feuer zu wenden, da der Braten auf der einen Seite schon gar geworden sei.

Ich nehme die Grillzange und wende die Steaks. Fett tropft in die Glut, eine Stichflamme schießt durch die kleinen Schlitze der Aluminiumschale. Der tatsächliche oder vermeintliche Rost, auf dem der hl. Laurentius das Martyrium erlitt, ist heute noch in der Kirche San Lorenzo fuori le Mura in Rom zu bewundern. Eines der zynischsten Grillzitate, das auch weltweite Empörung auslöste, stammt von Madame Nhu, der hübschen und mächtigen Schwägerin des südvietnamesischen Präsidenten und Diktators Ngo Dinh Diem. Der fanatische Katholik hatte auf seiner Verfolgungsliste nicht nur den kommunistischen Vietkong, sondern auch die buddhistische Bevölkerungsmehrheit seines Landes. Gegen die Unterdrückung  der Religion Gautamas protestierten 1963 buddhistische Mönche mit Selbstverbrennungen. Daraufhin erklärte Madame Nhu amerikanischen Reportern kühl, sie könne die Bonzen schließlich nicht daran hindern, ihr eigenes Barbecue zu veranstalten.

Inzwischen sind die Steaks fertig, die Gäste treffen ein. Ich lege für die Kinder Bratwürste auf den Rost. Dann sitzen wir – zwei Elternpaare und fünf Kinder im Grundschulalter – am Gartentisch und lassen uns das Grillgut, flankiert von Salaten, Weizenbier und Apfelsaftschorle, munden. Beim Essen klären die Kinder untereinander geheimnisvolle, tabuverdächtige Begriffe ab. Wer weiß mehr, ist die Devise. „Wisst ihr, was Homosexualität ist?“ – triumphierend schaut einer der Jungen in die Runde. Jetzt würge ich den kindlichen Wissensvergleich ab: „Ich habe beim Anblick von Bratwürsten auf dem Teller keine Lust, mir Gespräche über Homosexualität anzuhören“. Stattdessen greifen wir Eltern das Thema Schulzeugnisse auf. Auch eine Form von Rost und gegrillt werden. Plötzlich setzen sich die Kinder in den Volkspark ab. Aber vielleicht ist das nur Zufall.

[Zum hl. Laurentius vgl. den entsprechenden Beitrag in Heiligenlexikon.de sowie „Nicht Patron des Viehs“. BZ-Interview mit Pfarrer Johannes Buchmüller über den heiligen Laurentius und das nach diesem benannte Fest auf dem Feldberg (sb). In: Badische-Zeitung.de vom 13.08.2009; zu Madame Nhu und ihrem Zitat vgl. Peter Scholl-Latour: Der Tod im Reisfeld. Dreißig Jahre Krieg in Indochina. Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1981, S. 105].

Kategorie(n): Genüssliches und Anregendes, Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Heiliges und Unheiliges, Makaberes und Skurriles

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