WEIHNACHTSGESCHICHTE 2013

Erneute Herbergsuche

von Markus A. Maesel · 01.12.2013 · 2 Kommentare

Und es begab sich zu der Zeit, da im islamischen Malaysia ein Gebot ausging, dass alle Einkaufszentren im weihnachtlichen Schmucke erstrahlen, christliche Symbole dabei aber nicht zu sehen sein sollten. Daraufhin verließen Zimmermann Josef, der hier gerade auf Fertighausmontage war, mit seiner Frau Maria und dem Knaben Jesus das ungastliche Land, um einen Platz auf dieser Welt zu finden, wo sie ihr Weihnachten feiern konnten. „Kehren wir in den heimeligen Stall nach Bethlehem zurück“, sagten sie. Doch an dessen Statt fanden sie einen großen, alten Steinbau vor, den die Menschen „Geburtskirche“ nennen. In dem Gotteshaus selbst stritten die verschiedenen christlichen Konfessionen um ihre Vorrechte, frommer Rummel machte Ruhe und Einkehr unmöglich.

Von einigen Pilgern erfuhren sie, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika als „God’s Own Country“ bezeichnen. Das schuf Vertrauen. „Dort werden wir eine Herberge finden“, war die Hoffnung der Heiligen Familie. Doch auf dem New Yorker Flughafen wurde sie gleich von einem rundlichen Herrn abgefangen, mit weißgelocktem Bart und Haaren, rotem Anzug und einer pelzumrandeten roten Zipfelmütze. „Schert euch hier fort, in Amerika regiert der Weihnachtsmann. Ich brauche keine Konkurrenz von euch“, giftete er sie an.

Maria und Josef zogen mit ihrem Sohn sodann weiter nach Deutschland, von dort hatten sie einmal ein gefühlvolles „Stille Nacht, heilige Nacht“ gehört. Das weckte Zuversicht auf ein weihnachtliches Weihnachten. Auf einem Marktplatz trafen sie einen selbstbewussten Mann, der sich ihnen als Atheist vorstellte: „Wir sind auf dem Vormarsch, die Zukunft gehört uns. Schluss mit diesem Hirngespinst Gott. Aus Ostern haben wir das Hasenfest gemacht. Sankt  Martin haben wir fortgejagt und stattdessen feiern wir jetzt das Sonne-Mond-und-Sterne-Fest. Und aus Weihnachten machen wir das Ochs-und-Esel-Fest“. Erschrocken wich die Heilige Familie vor diesem polternden Zeitgenossen zurück.

Sie gelangten zu einer Ansammlung von kleinen Holzhütten. Ein buntes Schild verkündete ihnen, dass das ein Weihnachtsmarkt sei. Mit glühweingewärmten Herzen gingen dort die Menschen von Stand zu Stand und erfüllten das erste und oberste Gebot ihres Wirtschaftssystems: „Du sollst kaufen“. Lautsprecher krächzten sie mit betlehemfreien Stimmungsliedern in Konsumlaune: „Morgen kommt der Weihnachtsmann“, I‘m dreaming of a white Christmas“, „Kling, Glöckchen, klingelingeling“, „We wish you a merry Christmas“, „Oh Tannenbaum“.

Enttäuscht entfernten sich Maria, Josef und der Knabe Jesus von diesem Spektakel. Die Enttäuschung wich jedoch bald dem Entsetzen, als sie plötzlich vor zwei großen Werbeplakaten standen. Mit „Freunachten“ lockte ein japanischer Elektronikhersteller zum Kauf, eine Schnellrestaurant-Kette warb für ihre geschmacksneutralen Fleischklopse mit „Merry Cheesemas“. Nicht einmal das Wort „Weihnachten“ war mehr notwendig, um das Fest der Feste zu feiern. Aber klingt im amerikanischen Englisch „Jesus“ nicht sowieso wie „Cheeses“? Wer kennt nicht den Bibelfundamentalisten-Spruch „Cheeses loves you“. Ratlos blieb die Heilige Familie im Menschengewimmel zurück.

[Quellen: Bettina Seipp: Malaysia: Weihnachten gern – aber bitte ohne Bibelsprüche. In: Welt.de vom 17.11.2013;  „Hasenfest“ statt Ostern – Thalia rudert zurück. In: WAZ.de vom 19.04.2011; Atheisten-Website Hasenfest.org; Forderung: Linke entfacht Streit über Sankt Martin in NRW. In: Welt.de vom 5.11.2013; Plakat „Freunachten“; Plakat „Merry Cheesemas“].

Kategorie(n): Heiliges und Unheiliges

2 Beiträge der Leser

  • Heriman

    // Dez 1, 2013 at 09:59

    Hallo,

    gut getroffen! Das passt zum allgemeinen Trend.

    In den Betrieben setzt sich auch immer mehr die “Jahresabschlussfeier” gegenüber der “Weihnachtsfeier” durch. an unsere Geschäftspartner schreiben wir “Merry X-mas”-Karten - man könnte ja die Gefühle Andersgläubiger verletzen. Das X ist dabei eine Variable, die jeder für sich nach Belieben durch “Christ”, “Allah”, das hundertarmige Spaghettimonster oder durch wen auch immer ersetzen kann.

    Das ist alles so austauschbar, wischiwaschi und fahl.

    Alles Gute zum Anlass,
    Heriman

    PS: Eine besinnliche Adventszeit und fröhliche Weihnachten.

  • Gerhard Böhmer

    // Dez 14, 2013 at 11:47

    Super Weihnachtsgeschichte! Kompliment. Trifft den Nerv unserer Zeit.

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