LEPRAKLAPPERN

Bis ihre Klappern schlapper klangen

von Markus A. Maesel · 23.06.2014 · 0 Kommentare

Klappern gehört nicht nur zum Handwerk, sondern auch zur Lepra. Die auch als Aussatz bekannte Infektionskrankheit geißelt die Menschheit schon seit mehr als 4000 Jahren. Mit Holzklappern mussten die Betroffenen die Gesunden vor ihrem Kommen warnen. Ein Geklapper, das aufgrund der starken Verbreitung der Krankheit im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa zur normalen Geräuschkulisse in Stadt und Land gehörte. Grund genug, diesen Holzgegenstand einmal näher zu betrachten.

Lepra ist in Europa bereits seit der Antike bekannt. Die durch Mycobacterium leprae  übertragene Krankheit zerfrisst Haut und Nervensystem ihrer Opfer. Gliedmaßen und Gesicht werden im Extremfall bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und entstellt. Weil das Gefühl für Kälte, Wärme und Schmerz verloren geht, entstehen oft Verletzungen. Die Verwesung am lebendigen Leibe führt erst nach Jahren durch auftretende Sekundärinfektionen zum Tode. Der Krankheitsverlauf kann seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts durch Antibiotika gestoppt werden.

Mit den Kreuzzügen trat die Lepra im 12. und 13. Jahrhundert seuchenartig in Europa auf. Am Rande der Städte entstanden Leprosenhäuser, um die Infektionsgefahr zu bannen. Spätestens hier wird klar, dass die Bezeichnung Aussatz von Aussetzen kommt. Besonders trostlos war die Lage der Siechen, wenn man sie als „unrein“ ansah oder ihre Krankheit als „Strafe Gottes“ begriffen wurde. Bis zur ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts verschwand die Lepra wieder weitgehend aus Mitteleuropa, Pest und die Pocken hatten die Aussätzigenhäuser geleert.

Der Umgang der Aussätzigen mit ihrer Umwelt wurde durch das III. Laterankonzil von 1179 streng geregelt. Sie mussten durch ein kuttenähnliches Gewand von weitem erkennbar sein. Außerdem hatten sie Handschuhe zu tragen, damit es nicht zum Hautkontakt mit den Gesunden kam. Zur Ausstattung gehörte weiterhin ein langer Stock, mit dem sie beim Einkauf auf die gewünschten Waren zeigen konnten. Vor allem aber mussten sie sich durch Warninstrumente bemerkbar machen. „Siechenschellen“, „Leprosenhörner“ oder „Lepraklappern“ kündigten seitdem das Kommen von Aussätzigen an. Letztere setzten sich als akustisches Warnsignal durch.

Einfache, dreiblättrige Lepraklapper (Nachbildung) - Foto: Lepramuseum Münster

Nach dem Schutzheiligen der Aussätzigen wurde die Lepraklapper auch „Lazarusklapper“ genannt. Der hl. Lazarus selbst findet sich häufig mit einer Klapper dargestellt. Die dreiblättrige Holzklapper gehörte zur Standardausstattung der Insassen städtischer Leprahospitäler des 13. bis 17. Jahrhunderts. Ihr mittleres Blatt war als Verlängerung des Griffes fixiert. Die beiden äußeren Blätter waren mit Lederbändern oder Metallscharnieren am Griff befestigt und schlugen bei Bewegen der Klapper abwechselnd auf dem Mittelblatt auf. Die einfachsten Blätter waren leistenförmig, andere löffel- bzw. kastagnettenförmig oder bildeten nach oben spitz verlaufende Fünfecke. Seltener kamen Klappern in Form von Reihenrasseln vor. Gelegentlich wurden die Klappern verziert. Sicherlich ließe sich mit viel Forscherfleiß eine Systematik und Soziologie der Lepraklapper erstellen.

Die Holzklappern wirkten namensbildend auf ihr Umfeld. So wurde der Aussätzige nun auch als Klappermann bezeichnet, das Leprosorium als Klapperhaus, Sammelpunkte der Kranken als Klapperwiese oder Klapperfeld. Die jährlich erscheinende Zeitschrift der Gesellschaft für Leprakunde, die in Münster das Lepramuseum und eine Dokumentationsstelle unterhält, trägt den Namen „Die Klapper“.

Und es gibt die Klappergassen, die auf ehemalige Aussätzigenheime verweisen. Manch fröhlichem Zecher in der Klappergasse des Frankfurter Stadtteils Sachsenhausen, die das Zentrum des sogenannten „Ebbelwoi-Viertels“ bildet, würde das bekannte Apfelweinlied „Die Fraa Rauscher aus de Klappergass“ im Hals stecken bleiben, wenn er wüsste, auf welchem Grund er gerade feiert. Die Leprosen galten hier als „furchtbare Plage für die Anwohner“. Am nahen Bettelbrunnen durften sie sich versammeln und lautstark klappernd um Almosen bitten. Bis ihre Klappern schlapper klangen.

[Quellen und Danksagung: Den Beitrag habe ich erstmals im Holz-Zentralblatt Nr. 12 vom 23.03.2012, S. 328, unter dem Titel veröffentlicht: „Bis ihre Klappern schlapper klangen“. Hölzerne Lepraklappern prägten den Alltag im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa. –  Der Autor verdankt Dr. Ralf Klötzer, Vorsitzender der Gesellschaft für Leprakunde, wichtige Hinweise zur Lepraklapper sowie das Foto. Dank auch an Dr. Volker Steck, Karlsruhe, für ergänzende Informationen. Unter den im Internet gesichteten Quellen sind hervorzuheben: Lepramuseum Münster-Kinderhaus/Gesellschaft für Leprakunde, DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe, das „Medizinhistorische Museum“ von Dr. Henri Kugener sowie die „Liste der Straßennamen von Frankfurt am Main/K“].

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches

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