REIZÜBERFLUTUNG

Wortgeräusche

von Markus A. Maesel · 24.02.2015 · 0 Kommentare

Allgegenwärtige Medien, schrille Werbung, sachliche Experten, wichtigtuerische Halbwissende, selbstverliebte Besserwisser, nachplappernde Ahnungslose, berechnende Phrasendrescher, unruhige Silbenvervielfältiger überschütten die Menschheit mit ihren Worten. In immer kürzerer Frequenz, sich immer mehr verdichtend. Oft verzichtbar. Der Zwang irgendetwas sagen zu müssen. Blanke Kommunikationssucht. Genervtsein durch die akustische und verbale Reizüberflutung bleibt nicht aus. Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts sieht der Kulturphilosoph Max Picard „Wortgeräusche“ als Wesen der neuen Zeit. Worte kommen nicht mehr aus dem Schweigen als Akt des Geistes, stellt er fest. Es entstehe und vergehe nur noch „im Geräusch etwas Wortartiges“. „Das Wortgeräusch ist die laute Leere, die die lautlose Leere überdeckt“, gibt Picard seinem Weltschmerz Ausdruck. Fern von Kulturpessimismus mahnt ein arabisches Sprichwort weise die Menschen: „Wenn du sprichst, müssen deine Worte besser sein als dein Schweigen“. Durch die Lotusblüte weist der chinesisch-hawaiianische Detektiv Charlie Chan wiederholt seinen geschwätzigen Sohn zurecht: „Das war flüssiger als Wasser, nämlich überflüssig“. Und für ihre Umgebung pausenlos zutextende Mitmenschen hält der Kabarettist Dieter Nuhr angewidert die Keule bereit:  „Wenn man keine Ahnung hat: Einfach mal Fresse halten“.

[Quellen: Max Picard: Die Welt des Schweigens. München 1988 (Erstausgabe Zürich 1948), S. 178 u. ff.; arabisches Sprichwort zitiert nach “Die Rheinpfalz” vom 29.10.2014 (Spruch zum Tag); Art. “Charlie Chan”, in: Wikipedia; Dieter Nuhr zitiert nach Wikiquote].

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches

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