MEINE BEERDIGUNG

Letzte Visitenkarte

von Markus A. Maesel · 01.11.2015 · 1 Kommentar

Haben Sie sich schon einmal über Ihre Bestattung Gedanken gemacht? Über Ihre letzte Visitenkarte auf diesem Planeten? Obwohl meine Blut- und EKG-Werte sowie die Ultraschallbilder bisher immer tadellos waren, bewegt mich die Art meines irdischen Ausstandes schon seit vielen Jahren.

Vor allem wollte ich nie durch den Muffelofen und die Knochenmühle gejagt werden und in eine designte Konservendose namens Urne abgefüllt werden. Spätestens nach der Krematoriumsszene im James-Bond-Film „Diamantenfieber“ wäre mir darauf auch die Lust vergangen. Ich wollte nie im Ganges verstreut, nie in der Nordsee versenkt und nie ökologisch-selbstverliebt-korrekt in einer biologisch abbaubaren Urne in einem Friedwald unter einer Eiche verbuddelt werden. Nie wollte ich anonym, genormt und pflegeleicht unter einer Rasenfläche entsorgt werden. Ich wollte immer schon mit all meinen Knochen der Auferstehung entgegenbleichen und der heimischen Leichenfauna eine Chance geben. In meiner Ganzheit und leiblicher Unversehrtheit möchte ich der Erde übergeben werden.

Da ich religiös in der christlichen Mystik verwurzelt bin und mir daher eine heilsvermittelnde Klerikerkaste fremd ist, werde ich auf meinem letzten Weg auf diesen geistlichen Beistand verzichten. Auch werde ich keinen bezahlten Süßholzraspler (Trauerredner) in Nähe meines Sarges dulden. Mein hölzerner Schlafrock soll schlicht, möglichst aus naturbelassenem Nadelholz sein. Auf dem Sargdeckel soll ein einfaches Holzkreuz ohne Korpus angebracht oder eingefräst sein. Ein Gesteck aus Sonnenblumen soll ihn zieren, wenn es die Jahreszeit erlaubt. Keine Blume erweckt in mir soviel Freude und Heiterkeit wie die Sonnenblume. Ansonsten würde ich mich über ein Gesteck mit „Esperance“-Rosen freuen, die wie das Leben zugleich blühend und welkend wirken. Meine Taufkerze soll neben dem Sarg brennen.

Längere Stille soll in der Trauerhalle herrschen. Das Schweigen wird Verbindendes und Trennendes zwischen mir und meinen letzten Wegbegleitern offenlegen. Keine Stimme soll sich zu einem Nachruf erheben, schwarze Trauerkleidung ist mir ein Gräuel. Auch möchte ich nicht in weiße Bestattungswäsche gesteckt werden. Der Stille folgt mein Lieblingskirchenlied „Wir sind nur Gast auf Erden“, kein anderes Lied trifft so unmittelbar mein Empfinden vom Leben als Durchgangsstation. Danach soll der Sonnengesang des hl. Franziskus von Assisi vorgetragen werden; ein für mich unerreichtes Loblied auf die Fülle des Lebens und den dazu gehörenden Tod. Nach einer kurzen Pause folgt „Nada te turbe“, das Gebet der hl. Teresa von Avila, welches auf Spanisch und Deutsch verlesen werden soll. Es ist für mich der tiefste Ausdruck bedingungslosen Gottvertrauens. Eine Allerheiligenlitanei schließt die Zeremonie in der Aussegnungshalle ab. In dieser werden lediglich die Heiligen meines Vertrauens, in dieser Reihenfolge angerufen: Damian de Veuster, Bruno der Kartäuser, Franziskus von Assisi, Teresa von Avila, Johannes vom Kreuz, Josef von Nazareth, Ignatius von Loyola, Petrus Claver, Franziskus Xaverius. Nach jeder Anrufung „Bitte für ihn“.

Am Grab soll „Gottheit tief verborgen“ gesungen werden – das liedgewordene Staunen vor der stillen Größe Gottes. Bevor mein Sarg in die Grube geht, soll das „Vater unser“ ohne Kraft- und Herrlichkeitsformel gebetet werden. Während meine Wegbegleiter mir ihr Schäufelchen mit Erde nachwerfen, möge mein Sohn mir auf der Klarinette  „Aloha oe“ spielen; eine einfühlsame Abschiedsweise, die im 19. Jahrhundert die letzte hawaiianische Königin Liliuokalani der Menschheit geschenkt hat. Bis dahin möge mein Filius noch etwas üben. Irgendwann soll ein Kreuz aus Holz, Stein oder Metall mein Grab zieren.

Und all das schreibe ich nieder mit Blick auf den beleuchteten Weihnachtsbaum und die drei Krippen im Wohnzimmer, während draußen der Schnee fällt. Es ist der dritte Tag des gerade begonnenen Jahres 2015.

Die einzelnen Lieder und Texte in Reihenfolge:

I. Wir sind nur Gast auf Erden

Wir sind nur Gast auf Erden
und wandern ohne Ruh
mit mancherlei Beschwerden
der ewigen Heimat zu.

Die Wege sind verlassen,
und oft sind wir allein.
In diesen grauen Gassen
will niemand bei uns sein.

Nur einer gibt Geleite,
das ist der liebe Christ;
er wandert treu zur Seite,
wenn alles uns vergisst.

Gar manche Wege führen
aus dieser Welt hinaus.
O, dass wir nicht verlieren,
den Weg zum Vaterhaus.

Und sind wir einmal müde,
dann stell ein Licht uns aus,
o Gott, in deiner Güte,
dann finden wir nach Haus.

II. Sonnengesang des hl. Franziskus von Assisi

Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.

Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder Sonne,
welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz:
Von dir, Höchster, ein Sinnbild.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Mond und die Sterne;
am Himmel hast du sie gebildet,
klar und kostbar und schön.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken
und heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Feuer,
durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Drangsal.
Selig jene, die solches ertragen in Frieden,
denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig jene, die er findet in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.

Lobt und preist meinen Herrn
und dankt ihm und dient ihm mit großer Demut.

III. Nada te turbe (Teresa von Avila)

Nada te turbe,
nada te espante,
todo se pasa,
Dios no se muda;
la paciencia
todo lo alcanza;
quien a Dios tiene
nada le falta:
Sólo Dios basta.

Nichts soll dich verwirren,
nichts dich erschrecken.
Alles vergeht,
Gott ändert sich nicht.
Die Geduld
erlangt alles.
Wer Gott hat,
dem fehlt nichts.
Gott allein genügt.

IV. Spezielle Allerheiligenlitanei

Heiliger Damian de Veuster - Bitte für ihn
Heiliger Bruno der Kartäuser - Bitte für ihn
Heiliger Franziskus von Assisi - Bitte für ihn
Heilige Teresa von Avila - Bitte für ihn
Heiliger Johannes vom Kreuz - Bitte für ihn
Heiliger Josef von Nazareth - Bitte für ihn
Heiliger Ignatius von Loyola - Bitte für ihn
Heiliger Petrus Claver - Bitte für ihn
Heiliger Franziskus Xaverius - Bitte für ihn

V. Gottheit tief verborgen

Gottheit tief verborgen, betend nah ich dir.
Unter diesen Zeichen bist du wahrhaft hier.
Sieh, mit ganzem Herzen schenk ich dir mich hin,
weil vor solchem Wunder ich nur Armut bin.

Augen, Mund und Hände täuschen sich in dir,
doch des Wortes Botschaft offenbart dich mir.
Was Gott Sohn gesprochen, nehm ich glaubend an;
er ist selbst die Wahrheit, die nicht trügen kann.

Einst am Kreuz verhüllte sich der Gottheit Glanz,
hier ist auch verborgen deine Menschheit ganz.
Beide sieht mein Glaube in dem Brote hier;
wie der Schächer ruf ich, Herr, um Gnad zu dir.

Kann ich nicht wie Thomas schaun die Wunden rot,
bet ich dennoch gläubig: „Du mein Herr und Gott!“
Tief und tiefer werde dieser Glaube mein,
fester lass die Hoffnung, treu die Liebe sein.

Denkmal, das uns mahnet an des Herren Tod!
Du gibst uns das Leben, o lebendig Brot.
Werde gnädig Nahrung meinem Geiste du,
dass er deine Wonnen koste immerzu.

Gleich dem Pelikane starbst du, Jesu mein;
wasch in deinem Blute mich von Sünden rein.
Schon ein kleiner Tropfen sühnet alle Schuld,
bringt der ganzen Erde Gottes Heil und Huld.

Jesus, den verborgen jetzt mein Auge sieht,
stille mein Verlangen, das mich heiß durchglüht:
lass die Schleier fallen einst in deinem Licht,
dass ich selig schaue, Herr, dein Angesicht.

VI. Vater unser

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen. Amen.

VII. Aloha oe (instrumental)

Kategorie(n): Heiliges und Unheiliges, Sonstiges und Undefinierbares

1 Beitrag der Leser

  • Böhmer Gerhard

    // Nov 7, 2015 at 11:48

    Lieber Markus, Deine Beerdigungswünsche haben mir so gefallen, dass ich sie mir kopiert und gesichert habe. Bis auf wenige Änderungen werde ich diese Zeilen als “Nachlaß” meiner Tochter vermachen. Ich denke, dass hier kein “Copyright” besteht oder? Super - genialer Abschied.

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