KOMMUNION

Murphys Launen

von Markus A. Maesel · 14.04.2016 · 2 Kommentare

„Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“.

Edward A. Murphy jr.

Der Weiße Sonntag meiner Tochter steht vor der Tür. Nach dem feierlichen Kirchgang haben wir in unserem kleinen Zuhause ein Fest für mehr als zwanzig Personen geplant. Um das Buffet unterzubringen, muss das Haus mit einem Zelt auf der Veranda verlängert werden. Die Tochter ist ganz aufgeregt und gesteht mir strahlend: „Ich freue mich auf das heilige Brot und die Schnitzel“.

Doch dann fällt der Schatten von Murphys berühmt-berüchtigtem Gesetz auf die sich ausbreitende Harmonie und zerlegt sie genüsslich in disharmonische Scheiben, die mit hoher Bindekraft zum Unglück zusammenkleben. Am Freitag muss der Installateur kommen, weil die Wassermischbatterie an der Küchenspüle defekt ist und das Wasser nach allen Seiten spritzt. Totalschaden und Neuinstallation. Gleichzeitig streikt die betagte Spülmaschine, der absolute Supergau bei den drohenden Geschirrbergen eines großen Festes. Der Chef des örtlichen Elektroladens kommt mit einem Mitarbeiter, sie schalten das Gerät ein, interpretieren dessen Geräusche mit internistischem Gespür, sorgenvolle Gesichter. Eine Reparatur lohne sich nicht mehr, Exitus. Immerhin können sie bis zum nächsten Tag eine neue Spülmaschine liefern - und einen Ersatz für den Kühlschrank, der ebenfalls vor kurzem seinen Geist ausgehaucht hat, gleich mit. Kein Handspülen und keine warme Getränke, Hoffnung blüht auf.

Am Samstagmorgen kommen die Geräte. Beim Abbau der alten Spülmaschine bleibt deren Schlauch am Starkstromanschluss des Elektroherdes hängen. Dabei kommt es zu einer Explosion, ein lauter Knall erschüttert das Haus, nichts geht mehr. Leitungsschutzschalter im verplombten Hausanschlusskasten sind zerstört. Stromausfall. Der Stördienst der Technischen Werke muss zur Reparatur ausrücken. Empört kommt mein Sohn, den die Explosion an sich nicht weiter beunruhigt hatte, aus seinem Kinderzimmer herunter, und beschwert sich, dass das W-Lan für sein Smartphone nicht mehr funktioniere. Das ist für ein Kind heutzutage die Apokalypse. Weitere Zeitverzüge bei den Kommunionvorbereitungen entstehen: Die Tochter muss nachmittags noch beim Tag der offenen Tür in der Musikschule vorspielen. Der Sohn teilt mir lächelnd mit, dass er wahrscheinlich am Montag einen Erdkundetest schreibt und seine Mitschrift zeigt sich als fehlerhaft. Es folgen zeitaufwändige Korrekturen. Und meine Frau muss noch schnell einige Dinge für das Fest einkaufen. Ich zittere, ob vielleicht noch ein Wasserrohrbruch unsere Feier absaufen lassen könnte oder eine Windhose unser Dach abdeckt.

Am Samstagabend hätte ich jedem Zeugen Jehova geglaubt, dass der Weltuntergang unmittelbar bevorstehe. Ein Apfelbäumchen hätte ich sicherlich nicht mehr gepflanzt. Eher hätte ich nihilistisch „Freude schöner Götterfunke“ auf der Stalinorgel gespielt. Neben Murphy’s Law bestätigt sich wieder einmal meine alte Erfahrung: Die Wirklichkeit sprengt jede Phantasie. Wenigstens haben wir einen wunderschönen, stimmungsvollen Weißen Sonntag. See you later, Mister Murphy.

[Erlebt am 8. und 9. April 2016].

Kategorie(n): Heiliges und Unheiliges, Sonstiges und Undefinierbares

2 Beiträge der Leser

  • Herwig

    // Apr 15, 2016 at 14:35

    Köstlich und mit literarischer Qualität geschrieben, wie alle Geschichten des Autors. Einfach zum Weinlachen.

  • Eva

    // Apr 17, 2016 at 20:45

    Ich könnte diesen Beitrag nicht besser kommentieren als Herwig!!

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