BERNKASTEL-KUES

Fromme Wünsche

von Markus A. Maesel · 16.08.2017 · 1 Kommentar

Nein, der „Bernkasteler Doctor“ ist kein Kurarzt oder Allgemeinmediziner, sondern eine der teuersten Weinlagen der Welt. Gemeinsam mit der Burg Landshut überragt der Weinberg das Moselstädtchen Bernkastel-Kues. Möchte man den „Bernkasteler Doctor“ dennoch weiter in ärztlichen Kategorien einordnen, so wäre der edle Tropfen eher ein Seelenklempner mit überhöhtem Honorar. Für einen Besuch der Bernkasteler Altstadt mit ihren malerischen Fachwerkensembles empfiehlt es sich früh aufzustehen. Bevor die Touristenmassen das Kleinod und die Parkplätze überschwemmen. Viele Ausflügler bleiben gleich im unmittelbaren Zentrum in den Weinstuben, Cafés und den kleinen Läden hängen. Wer dennoch ein Stück bergauf geht, stößt auf eine gelbe Hauswand, die ein humorvolles, mit Wortspielen gespicktes Gebet in kunstvoller Frakturschrift ziert:

“Herr, setze dem Überfluß Grenzen und lasse die Grenzen überflüssig werden. Lasse die Leute kein falsches Geld machen und auch Geld keine falschen Leute. Nimm den Ehefrauen das letzte Wort und erinnere die Ehemänner an ihr erstes. Schenke unseren Freunden mehr Wahrheit und der Wahrheit mehr Freunde. Gib den Regierenden ein besseres Deutsch und den Deutschen eine bessere Regierung. Herr, sorge dafür, daß wir alle in den Himmel kommen. Aber nicht sofort!”

Fotos: M. Maesel

Über die beiden letzten Sätze muss sogar das steinerne Totenköpfchen lachen, das am Fuße eines Wegkreuzes die Wand mit den frommen Wünschen fest im Blick hat. Ein kariöses Smiley aus vergangener Zeit. Unten, etwas abgesetzt von der Inschrift, ist vage der Verfasser genannt: „Gebet des Pfarrers von St. Lamberti in Münster 1883“.

Zuhause wende ich mich vertrauensvoll an Frau Google und finde gleich unterschiedliche Versionen des Gebetes. Im Original sind noch weitere Anliegen in dem Text untergebracht:  „Bessere solche, die im öffentlichen Leben wohl tätig, aber nicht wohltätig sind. Lehre uns die Einsicht, wer reich im Portemonnaie ist, ist nicht immer reich auch im Herzen“ und „Lass uns sagen, was wir denken und lass uns tun, was wir sagen. Also lass uns das auch sein, was wir sagen und tun“.

Das „Hamburger Abendblatt“ nennt den katholischen Pfarrer Hermann Kappen als Verfasser. Der Gottesmann sprach die eindrucksvollen Worte beim Neujahrsempfang 1883 in der Kirche St. Martini et Nicolai in Steinkirchen (Altes Land). Er war 32 Jahre Pfarrer der St. Lamberti-Kirche in Münster (Westfalen) und Ehrenbürger der Stadt. Zuvor schulte der Geistliche seine Wortgewalt als Redakteur eines erbaulichen Sonntagsblattes.

[Quelle: Ein Steinkirchener Neujahrsgebet aus dem Jahr 1883 (lok). In: Hamburger Abendblatt vom 31.12.2010 - hier auch der vollständige Gebetstext].

Kategorie(n): Heiliges und Unheiliges

1 Beitrag der Leser

  • Anneliese Bünger

    // Aug 17, 2017 at 10:11

    Das ist doch endlich mal ein Gebet,das ich aus ganzem Herzen mitgegeben kann!

    Danke!

    Anne

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