CORONAVIRUS

Sensenmann und Ostern

von Markus A. Maesel · 11.04.2020 · 1 Kommentar

Karsamstag im Coronavirusjahr 2020, wieder der Tag der Todesstille zwischen Karfreitag und Ostern. Spätnachmittags auf dem Friedhof. Mit Hacke und schwarzer Gärtnertasche unterwegs, um auf dem Familiengrab die blühende Osterfreude erstrahlen zu lassen. Eine Frau flüchtet bei meinem Kommen an den Wegesrand und wendet ihr Gesicht von mir ab. Obwohl der vorgeschriebene Abstand eingehalten war und ich nicht einmal gehustet habe. Hält sie meine Hacke für eine Sense und mich für den Sensenmann, der vor Tagesende noch seine Coronaernte einfahren will? Diese diesseitshysterische Selbstversklavung der säkularen Gesellschaft in der Viruskrise, die den Blick auf den Mitmenschen so verengt, dass aus jeder Begegnung eine Nahtoderfahrung wird. „Hunde wollt ihr ewig leben“, lautete einmal ein Filmtitel, der mir trotzig in den Sinn kommt. Später vor dem Torbogen weicht wieder ein Ehepaar vor mir zurück. Erneut wirke ich als schauriges Memento mori; die Todessense im späten Sonnenlicht, folgender Sonnenuntergang und drohende Todesnacht.

Unfreiwilliger Sensenmann - Foto: Maesel

Vor dem Friedhof vergrößert ein älterer Herr den Abstand von zwei auf drei Meter, als er mich sieht. Verdrängend, dass er mit seiner glimmenden Zigarette in der Hand dem Rückruf seines Schöpfers nähersteht als einem Abgang durch das Coronavirus. „Mors certa, hora incerta“ – der Tod ist gewiss, aber ungewiss seine Stunde. Auch wenn ich hier auf dem Gottesacker wie der Sensenmann oder ein apokalyptischer Reiter wirke, möchte ich allen zurufen: „Leute, haltet den Abstand ein und bleibt vor allem locker!“ Der NS-Widerstandskämpfer Franz Jägerstätter sagte vor seiner Hinrichtung: „Wenn du keine Angst mehr vor dem Tod hast, eröffnet sich ein neues Licht für dein ganzes Leben, eine ganz neue Freiheit“. Bleibt locker und innerlich frei, egal wie es kommt; Freunde, Verwandte, Ärzte, Krankenschwestern und Totengräber werden euch nicht verlassen. Auferstehungsglaube in dieser Zeit ist hilfreich, frohe Ostern!

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Heiliges und Unheiliges

1 Beitrag der Leser

  • Jürgen Strugalla

    // Apr 11, 2020 at 21:54

    Lieber Markus,
    es sind Deine Sandalen, die Dich vom anderen Stern wirken lassen.
    Aber allen, Atheisten, Agnostikern, Anhänger von Religionen und Philosophen sei gesagt:
    Die Weisheit und/oder Erleuchtung hat niemand gepachtet.
    Covid 19 ist keine Strafe eines höheren Wesens, sondern die Folge von Mutation und zu wenig Distanz und zu wenig Achtung vor den Geschöpfen dieses Planeten.
    Allen Geschöpfen dieses Planeten und deren Lieben ruhige und respektvolle Tage.

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Kommentar: