Vorgestern in der Ludwigshafener Stadtmitte, früher Nachmittag. Die Quarantänebestimmungen gegen das Coronavirus scheinen zu greifen, nur wenige Menschen sind unterwegs. Nicht wenige der Wenigen schleppen gigantische Klopapiervolumen durch die Fußgängerzone, der Discounter Netto hat gerade den „XXL Pack“ auf den Markt geworfen. Ein Opiat gegen die Hamsterkäufe der letzten Tage, Seelenbalsam für weltuntergangsgeile, analfixierte Prepper. […]
Beim Stöbern in alten Büchern bin ich auf ein Gedicht der Eskimos (Inuit) gestoßen, das der dänische Polarforscher und Ethnologe Knud Rasmussen (1879-1933) aufgezeichnet hat. In einfachen Worten mahnt es zum Innehalten, Sich-selbst-nicht-verlieren, Zurückkehren zum eigenen Ruhepunkt, zum Bei-sich-sein. Eindringlich durch seine Schlichtheit und Wiederholungen, wie eine Botschaft aus der Eiswüste an die Menschen in […]
GBU-43/B Massive Ordnance Air Blast (MOAB) hat erstmals zugeschlagen, mit voller Wucht. Die stärkste nichtatomare Bombe der USA tötete gerade knapp 100 Dschihadisten in ihren afghanischen Tunnelanlagen. Der Tod ereilte sie, bevor sie anderen den Tod brachten. „Mutter aller Bomben“ nennen die amerikanischen Militärs liebevoll ihre Supervernichtungswaffe. Eine Bezeichnung, die weltweit Protest und Empörung hervorrief. […]
Als Schüler passierte ich zweimal am Tag die kleinere der beiden Bahnunterführungen des Ludwigshafener Stadtteils Mundenheim. Deren Wände waren mit phallischen Symbolen, vulgären Kraftausdrücken und schlichten Sinnsprüchen beschmiert. Eine Parole entging lange dem Übertünchen durch die Stadtverwaltung. Munter verkündete sie: „Winnetou ist wieder da, Amis raus aus USA“.
Dieser Zweizeiler kam mir vorgestern nach über 35 […]
Cochem ist das touristische Zentrum an der unteren Mosel. Vor allem Niederländer und Flamen, daneben Skandinavier, Amerikaner und Briten zieht es in diese schöne Stadt. Die Generation Silberhaar dominiert national wie international in den kleinen Gassen mit mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bauwerken. Sein Image „Ballermann an der Mosel“ konnte der Weinort weitgehend ablegen, nur aus zwei […]
Beim Frühjahrskonzert der Städtischen Musikschule im Ludwigshafener Pfalzbau. „Einmal um die Welt“ lautet das Motto der gelungenen Veranstaltung. Drei junge Moderatorinnen sorgen, als Reisende gekleidet, für die Übergänge zwischen den einzelnen musikalischen Länderporträts. Sie heben bei jeder Ankündigung mit Blick in den Reiseführer eine Eigenheit des betreffenden Landes hervor. Deutschland ordnen sie den Gartenzwerg als […]
Mama ist nach Indonesien geflogen zur Goldenen Hochzeit ihrer Eltern. Schon Wochen zuvor hat die Tochter deswegen geschluchzt und geweint, allein mit Papa ohne Mama. Hat sie Angst, dass sich das gemütliche Zuhause während Mutterns Abwesenheit in ein Bootcamp und Papa sich in Major Pain verwandelt? Der ältere Bruder ist nach den hektischen mütterlichen Reisevorbereitungen […]
Im Pfarrgarten der evangelischen Martinskirche in Bad Ems befindet sich eine Ansammlung repräsentativer, historischer Grabsteine. Auf einem der ältesten, den am unteren Ende ein Totenschädel mit zwei gekreuzten Knochen ziert, wird eines „entseelten“ Menschen gedacht.
„Entseelt“ passt auch für den durchorganisierten, effizienten Homo oeconomicus unseres gerade angebrochenen Jahrtausends, gehetztes Leben zwischen zwei Jahresurlauben. Schleichende Entseelung und […]
Erinnern Sie sich noch an Donald Rumsfeld? Den US-amerikanischen Verteidigungsminister, der 2003 Deutschland und Frankreich verächtlich als „altes Europa“ bezeichnete, weil sie ihm nicht in den Irak-Krieg folgen wollten?
Doch Donald Rumsfelds Weihnachten wäre ohne uns „alte“ Deutsche, besonders ohne uns Pfälzer, eine traurige Angelegenheit. Diese Erkenntnis verdanke ich einem Beitrag, der vor einigen Jahren in […]
Es ist der vorletzte Sonntag im Februar, der Winter meldet sich mit Kälte und einzelnen Schneeflocken zurück. Meine Familie sitzt im Schlafanzug am Frühstückstisch, wir reden über Gott und die Welt. Irgendwann sind wir beim hl. Sebastian angelangt, dessen Legende ich sodann meinen beiden Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter vorlese.
Sebastian war im 3. Jahrhundert, zur […]
Sommer 1996, ich bin im Reisefieber, nur noch kurze Zeit bis zu meinem Aufenthalt in Singapur, mein erster Flug überhaupt. Mein vierjähriger Neffe und Patenkind fiebert mit mir, lauscht meinen Geschichten, die ich ihm über die Malaiische Halbinsel erzähle. Am liebsten würde er mitfliegen. Als ich gehe, hat er einen besonderen Wunsch: „Onkel Markus, bringst […]
Ignatius Merung wurde bereits als letzter traditioneller Besenbinder in Kaima, einem Minahasa-Tonsea-Dorf im Nordosten der indonesischen Insel Sulawesi, vorgestellt (vgl. Weltgeflüster-Beitrag „Sapu lantai“). Aber Besenmachen ist für ihn nur eine von mehreren Tätigkeiten. Gelegentlich dreht er für den Hausgebrauch auch auf traditionelle Art und Weise Seile (Tali). Dafür benutzt er die rosshaarähnlichen, schwarzen Fasern des […]
Aussterbende Handwerke sind nicht nur ein europäisches Phänomen, wie der Autor bei seinem Indonesien-Aufenthalt im Juli/August 2001 feststellen musste. Bei den Minahasa-Tonsea, die den äußersten Nordosten der Insel Sulawesi besiedeln, konnte er Ignatius Merung, den letzten traditionellen Besenbinder des 2000-Seelen-Dorfes Kaima, über seine Arbeit befragen und diese fotografisch dokumentieren. Herausgekommen ist die Spurensicherung eines Handwerks, […]
Kreuz und quer fahre ich mit der U-Bahn durch Singapur. Der hochmoderne Mass Rapid Transit (MRT) ist unverzichtbar, wenn man den Stadtstaat näher kennen lernen möchte. Der Durchschnittstourist bleibt nur wenige Tage in Singapur. Ich habe vier Wochen Zeit, um die südostasiatische Metropole zu erkunden, und ich möchte so viel wie möglich sehen. Es ist […]
Sommer 1996 in Singapur. Schwüle, drückende Tropenhitze liegt über der Stadt. Ich schlendere durch Little India, dem indischen Viertel im Umfeld der Serangoon Road. Little India mit seinem kolonialen Flair pflegt eine ruhigere Gangart in der Löwenstadt, abseits der hektischen Betriebsamkeit der chinesischen Bevölkerungsmehrheit. Hier bin ich gerne und oft. Ich beobachte die Inderinnen in […]