MODELLE DES TEILENS

Was Sankt Martin und Nikolaus von “Charity” unterscheidet

von Markus A. Maesel · 11.11.2008 · 3 Kommentare

Dem säkularen Menschen sind nur wenige Heilige bekannt. Kennen dürfte er im Regelfall noch Sankt Martin, dessen Fest wir heute feiern, sowie den hl. Nikolaus, den der Kabarettist Kaya Yanar wegen seiner kleinasiatischen Herkunft bereits als Türken reklamieren wollte. Beide Heilige stehen jeweils für ein bestimmtes Modell des Teilens.

Sankt Martin rettete einen Bettler vor dem Erfrieren, indem er seinen Mantel mit dem Schwert teilte und ihm eine Hälfte abgab. Beiden war danach gleich warm oder kalt. Der Bettler konnte überleben und Sankt Martin kam lediglich weniger komfortabel durch den Winter. Sein Modell besagt: „Ich helfe dir bis zur Schmerzgrenze, aber nicht darüber, denn ich darf auch leben“. Sein Entwurf dürfte für die meisten Menschen umsetzbar sein; er ist ein elementares Modell für alltagstaugliche Solidarität.

Anders funktioniert das Teilen beim hl. Nikolaus, dem Bischof von Myra. Sein Modell lässt sich aus der „Legende von der Ausstattung der drei verarmten Jungfrauen“ ableiten: „Ein vornehmer Mann, der völlig verarmt ist, beabsichtigt, seine drei Töchter, die er nicht ebenbürtig verheiraten kann, der Schande preiszugeben, um daraus seinen und ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der junge Nikolaus, eben Erbe eines großen Vermögens geworden, hört davon und wirft nachts dreimal einen Beutel voll Geld ins Haus der Verarmten. Jeder Beutel bildet die Mitgift für eine der Töchter und ermöglicht ihre Verheiratung. Das dritte Mal holt der Vater den enteilenden Wohltäter ein und dankt ihm unter Tränen“.

In der Legende zeigt sich Nikolaus nicht nur als (erster?) kirchlicher Vorkämpfer gegen die Zwangsprostitution – eine Entwicklungslinie, die derzeit bis zu Schwester Lea Ackermann ins 21. Jahrhundert reicht -, sondern auch als Gegenmodell zu den weiblichen, männlichen und korporativen „Charity-Ladies“, die sich auf dem Mitleidsmarkt tummeln und sonnen. Nikolaus ist ein vermögender Mann, der sich aber im Gegensatz zu einem Franziskus von Assisi nicht vollständig von seinem Reichtum trennt. Er sieht eine Not und hilft diskret. Er gibt aus seinem Überfluss ab und gibt damit drei jungen Frauen eine Perspektive. Nikolaus leistet Hilfe zur Selbsthilfe.

Die stille, Anteil nehmende und selbstverständliche Caritas bei Sankt Martin und Nikolaus entlarvt das Charity-Credo „Tue Gutes und rede darüber“ als hohl klingende Phrase. Man wundert sich, wie dieser von PR-Strategen vermittelte Grundsatz inzwischen widerspruchslos positiv in unserer Gesellschaft hingenommen wird. Ehrlicherweise müsste er ausformuliert lauten: „Tue Gutes als Vehikel zum eigenen Erfolg. Dann stehst Du im Rampenlicht und gewinnst gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorteile“. Charity ist die Weiterentwicklung der Wohltätigkeitskaffeekränzchen, die Damen der Upper Class seit dem 19. Jahrhundert und Firmen seit einigen Jahren pflegen. Der Notleidende ist dabei Objekt und nicht Subjekt. Wirkliches, zwischenmenschliches Teilen findet hier nicht mehr statt. Durchgestylte, selbstbeweihräuchernde und silikondralle Charity zeugt nicht von Herzensbildung, sondern ist eher ein Fall für Knecht Ruprecht.

Leider ist der Öffentlichkeit der Kirchenvater und Bischof Ambosius von Mailand nicht mehr bekannt. Er lieferte bereits im 4. Jahrhundert ein universelles Verständnis vom Teilen, das sogar Karl Marx als bourgeoisen Biederling erscheinen lässt: „Die Erde ist für alle geschaffen worden ohne Unterschied. Die Natur kennt keine Reichen, sie bringt nur Arme hervor. Was du den Armen gibst, ist nicht dein Gut, du gibst ihnen vielmehr einen Teil von dem zurück, was ihnen gehört. Denn das Gut, das du an dich reißt, ist ein gemeinsames Gut, das allen zum Gebrauch gegeben wurde“.

Quellen/Literatur: Manfred Becker-Huberti: Nikolaus von Myra. Geschichten – Legenden – Lexikon. Herausgegeben vom Presseamt des Erzbistums Köln, Köln o. J., hier besonders S. 6, 12/13 u. 14. – Zum Thema „Heilige“ ist das „Ökumenische Heiligenlexikon“ eine wichtige Orientierungshilfe. – Zur Arbeit von Schwester Dr. Lea Ackermann gibt es eine eigene Website.

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Heiliges und Unheiliges

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