HEILIGER MIT SICHERHEITSSCHUHEN

Sankt Josef

von Markus A. Maesel · 19.03.2009 · 1 Kommentar

Kein Heiliger ist in der Christenheit so bekannt und verkannt wie Josef von Nazareth. Entrückt auf dem Podest der Verehrung  dient er der Theologie als Pflegevater Jesu, bedient er familienidyllische Vorstellungen und hilft vielen Berufsgruppen, Ländern, der katholischen Kirche und in mancherlei Notlagen als Patron und Fürsprecher. Josef als Mensch und Holzhandwerker in seinem Alltag bleibt dabei weitgehend auf der Strecke. Diesem verkannten Josef hat die Innenstadtkirche St. Ludwig in Ludwigshafen am Rhein mit einer Figurengruppe eine Heimat gegeben.

Der heilige Josef gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Volksheiligen, obwohl sein Leben weitgehend im Dunkeln liegt. Die Evangelisten interessieren sich für ihn vor allem als Werkzeug der göttlichen Heilsgeschichte. Josef gibt als „Mann Marias“ (Mt 1,16) dem nach der Überlieferung durch Jungfrauengeburt auf die Welt gekommenen Jesus den Status eines ehelichen Kindes. Genealogisch wird Jesus durch Josef zu einem Abkömmling des Hauses David, aus dem nach der hebräischen Bibel der Messias kommen sollte. Das Matthäus-Evangelium führt Josef von Nazareth als Zimmermann bzw. Bauhandwerker in die Heilsgeschichte ein (Mt 13,55). Bei Markus, dem ältesten der Evangelien, ist Josef überhaupt nicht erwähnt. Matthäus und Lukas erwähnen ihn nur in Bezug auf die Kindheit Jesu. Sie nennen ihn einen „Gerechten“; einen gläubigen Mann, der den Offenbarungen Gottes in seinen Träumen vertraut. Auf dessen Geheiß nimmt er gehorsam die schwangere Maria als seine Frau an und rettet später den Knaben Jesus vor dem kindermordenden Herodes nach Ägypten. Zuletzt berichtet die Heilige Schrift über ihn, als er zusammen mit Maria den zwölfjährigen Jesus diskutierend mit Schriftgelehrten im Tempel vorfand.

Die apokryphen Evangelien, das sind wundersame und anekdotische, von der Kirche nicht anerkannte Schriften über Jesus, kommen vor allem dem Bedürfnis der Gläubigen nach, mehr über die Kindheit Jesu zu erfahren. Das so genannte Thomas-Evangelium schildert beispielsweise wie der Jesusknabe für seinen Vater durch ein Wunder zwei unterschiedlich lange Hölzer für die Herstellung eines Bretts anglich. Dabei fasste er - zur Freude des staunenden Josefs – „das kürzere Holzstück an, streckte es und machte es dem anderen gleich“. In den Apokryphen entwickelten sich Maria und Josef von Neben- zu Hauptdarstellern, die eine eigene Lebensgeschichte erhielten. So entstand auch um 400 in Ägypten eine Geschichte Josefs des Zimmermanns.

Die spätantike und mittelalterliche Kirche tat sich hingegen schwer mit Josef, vor allem mit seinem Vaterschaftsverhältnis zu Jesus. Als sich im 4. Jahrhundert in der Kirche das Dogma von der „immerwährenden Jungfräulichkeit“ Mariens durchsetzte, wurde aus der Beziehung von Josef und Maria die sprichwörtliche keusche „Josefsehe“. Die Geschwister Jesu, die in den Evangelien teilweise sogar namentlich genannt sind, wurden zu Jüngern oder Vettern Jesu oder Kinder einer früheren Ehe Josefs uminterpretiert. Trotz aller Definitions- und Umdeutungsversuche blieb dieses Ehe- und Vaterschaftsverhältnis im Abendland so schwer verständlich, dass es eine weitere Beschäftigung mit dem hl. Josef und seine Verehrung hemmte. Erst über 1000 Jahre später wandte sich ihm die Theologie intensiver zu; seine private Verehrung setzte etwas früher im 13. Jahrhundert ein. Der Mensch und Holzhandwerker Josef blieb dabei weiterhin im Hintergrund. In der Volksfrömmigkeit und Kunst trat Josef vor allem als Teil der „Heiligen Familie“ hinter Jesus und Maria in Erscheinung. Meist in der Stallszene in Bethlehem und meist als ältlicher oder alter Mann dargestellt. Entsprechend diesem heiligen Familienidyll sieht man in der Kunst Josef gar als Breikocher oder gemeinsam mit Maria die Wäsche waschen und aufhängen. Ein dienender Nährvater ohne eigenes Profil - eine Tradition, die sich bis heute fortsetzt. Obwohl Josef nach seiner Wiederentdeckung als Patron der Zimmerleute und anderer Holzberufe verehrt wurde, war bei ihm Holzhandwerker-Idyll statt Holzhandwerker-Realität gefragt. Meist wurde er in bürgerlicher Tracht bei der Arbeit dargestellt; selten findet man ihn in typischer Handwerkerkleidung.

Fotos: Markus A. Maesel

Die Unbeschuhten Karmeliten und Jesuiten machten Josef während der Gegenreformation zum populärsten Volksheiligen und Schutzpatron. Seit 1675 ist er Patron der österreichischen Lande und der deutschen Katholiken. Im 19. Jahrhundert erreichte seine Verehrung den Höhepunkt; Papst Pius IX. erhob den hl. Josef 1870 zum Schutzpatron der Kirche. Seitdem gehört die Josefsstatue zur Grundausstattung jeder katholischen Gemeinde. Als sich die Kirche im 19. Jahrhundert ebenfalls der industriellen Revolution und der sozialen Frage stellen musste, wurde der hl. Josef zum Patron aller Handwerksberufe und Arbeiter. Im kanadischen Montreal und spanischen Valladolid gibt es seit Mitte des 20. Jahrhunderts gar Zeitschriften, die Cahiers de Josephologie und die Estudios Josefinos, welche sich ganz der Josefsforschung widmen.

Der hl. Josef zeigt sich heute in vielen Facetten und Klischees: dogmatisch als Pflegevater Jesu, als Projektionsfläche für süßliche Familienharmonie, als Volksheiliger entrückt auf dem Podest der Verehrung, als Schutzpatron vieler Berufe und Anliegen. Kaum wahrgenommen wird er als Mensch, der er war, als Holzhandwerker in seinem realen Umfeld sowie in einem normalen Verhältnis zu Jesus.

Doch es gibt Ausnahmen. So hat beispielsweise Josef als Mensch und Holzhandwerker in der Industriestadt Ludwigshafen am Rhein eine besondere Aufnahme erfahren und eine Heimat gefunden. Seit 1999 steht in der Innenstadtkirche St. Ludwig eine Figurengruppe mit dem ungewöhnlichen und programmatischen Titel „Josef im Dialog mit Jesus als Azubi“. Sie befindet sich im rechten Seitenschiff an der Stelle, wo vor der Zerstörung der Ludwigskirche im Zweiten Weltkrieg der traditionelle Josefsaltar stand. Im Kontrast dazu steht im parallelen Seitenschiff eine Madonna mit Kind als erhabene Königin im Stil des historisierenden 19. Jahrhunderts.

Paul H. Langhäuser war von 1971 bis 2006 Pfarrer in St. Ludwig. Unter seiner Leitung wurde seit 1976 die Ludwigskirche neu gestaltet. Sein Ziel war die Anpassung des Kirchenraumes an die Realität der von der chemischen Industrie geprägten Arbeiterstadt Ludwigshafen. Die gesamte Kirchengestaltung, besonders erkennbar in den Glasfenstern und dem Kreuzweg, stellt die Heiligung des Lebens im Alltag und Beruf in den Mittelpunkt.

Anregungen für die Josefsdarstellung in dieser Kirche bekam Pfarrer Langhäuser durch die Figuren des US-Bildhauers und Grafikers George Segal (* 1924 in New York, † 2000). Dieser gestaltete Environments mit in Gips abgeformten Modellen von Menschen bei der alltäglichen Arbeit. Berühmt ist sein Holocaust Memorial in San Francisco. Während Segal aber mit seiner Art der Darstellung die Anonymität des Individuums in der Gesellschaft zeigen wollte, schwebte Langhäuser mit derselben Methode das gegenteilige Ergebnis vor. Nämlich die Befreiung und Individualisierung des durch Stereotypen anonymisierten hl. Josef, indem dieser in seinem Alltag als Holzhandwerker dargestellt werden sollte.

Einen Partner für seine Idee fand Langhäuser in dem Südtiroler Bildschnitzer Helmuth Gebhard Piccolruaz aus St. Ulrich im Grödnertal. Beide waren sich nicht fremd. Piccolruaz hatte bereits 1987, als Ergebnis eines fruchtbaren holzkünstlerisch-theologischen Dialogs mit Pfarrer Langhäuser, für St. Ludwig einen modernen Kreuzweg in acht Tafeln mit 14 Stationen aus Kastanienholz hergestellt. Auch dieses Mal rangen sie um die Umsetzung von moderner Theologie in traditionelle Holzschnitztechnik.

Das Ergebnis des Dialogs wurde in lebensgroßen Figuren mit einem Flaschenzug in der Ludwigskirche positioniert und am 1. Mai 1999, am Tag der Arbeit und zugleich Josefstag, eingeweiht. Den Kirchenbesuchern präsentiert sich die Figurengruppe als Momentaufnahme. Josef und sein Sohn Jesus sind als Bauhandwerker bei einer Arbeitspause dargestellt. Sie befinden sich in einem Dachgebälk aus Fichtenholz. Balken und Figuren, die Piccolruaz aus Kastanienholz fertigte, sind lediglich miteinander verzapft. Beide Männer tragen moderne Arbeitskleidung mit klobigen Sicherheitsschuhen; sie zeigen sich als Menschen unserer Zeit. Josef hat gerade seine Säge abgesetzt. Jesus sitzt auf einem Balken und schaut zu Josef auf – „Azubi“ und Meister, zwei Generationen führen ein Gespräch. In seinen Händen hält Jesus eine Bauzeichnung. Diese könnte aber auch eine Thorarolle, die seine Verwurzelung im jüdischen Glauben verdeutlicht, oder eine Lebensrolle sein. Jesus sitzt vor einem Dachpfosten und gleichzeitig vor dem Kreuz, das auf sein kommendes Schicksal verweist. Jesus war bis zu seinem 30. Lebensjahr unauffällig im Betrieb seines Vaters als Holzhandwerker tätig. Dann zog er als Wanderprediger los, und eckte bald mit seiner Auslegung der jüdischen Tradition bei den geistlichen und weltlichen Potentaten seiner Zeit an. Mit 33 Jahren wurde er von der römischen Besatzungsmacht gekreuzigt.

Jesus’ Gespür und Einsatz für alles Lebendige wurde sicherlich auch durch die lange Arbeit mit dem lebendigen Werkstoff Holz geprägt. Ein Werkstoff, den ihm sein Vater Josef nahe gebracht hatte. Jesus ist der einzige Handwerker, der eine Weltreligion stiftete und einen Holzhandwerker zum Vater hatte. Buddha war ein Fürstensohn, Mohammed Kaufmann. Handwerker oder gar Holzhandwerker bilden unter den Heiligen der katholischen Kirche einen verschwindend geringen Anteil. Patrone für Handwerkszünfte waren meist keine Handwerker. Haben sich die Handwerker bei Patronaten ihresgleichen geschämt?

Heiliger Josef als Schutzpatron

Berufsgruppen: Zimmerleute, Holzhauer, Schreiner, Wagner, Handwerker, Arbeiter, Totengräber, Ingenieure, Erzieher, Pioniere. - Personengruppen:  Ehepaare, Familien, Kinder, Jugendliche, Waisen, Reisende (Herbergen und Herbergssuchende), Verbannte, Sterbende („guter Tod“). - Länder: Mexiko (1555), Philippinen (1565), Kanada (1624), Böhmen (1654), Bayern (1663), Österreich und deutsche Katholiken (1675), Kurpfalz (1753), Peru (1828), Köln (neben den Hl. Drei Königen); Österreichische Bundesländer Tirol, Steiermark, Kärnten, Vorarlberg. - Kirche: Katholische Gesamtkirche (1870), Bistum Osnabrück; besondere Verehrung in den Diözesen Graz, Gurk und Innsbruck; zahlreiche Ordenskongregationen und Bruderschaften. - Fürsprecher bei Jungfräulichkeit, Keuschheit, Augenleiden, Versuchung und Verzweiflung, Wohnungsnot. - Attribute:  Zimmermannswerkzeug, Wanderstab, blühender Stock, Lilie, Jesuskind auf dem Arm. - Feste:  19. März (seit 1621 Feiertag, eingeführt durch Papst Gregor XV.) und 1. Mai (Fest Josefs des Arbeiters, seit 1955, eingesetzt von Papst Pius XII.).

Zum Bildschnitzer Helmuth Gebhard Piccolruaz

Geboren am 9. September 1948 in Brixen, lebt in St. Ulrich im Grödnertal/Südtirol; Besuch der Kunstschule und Lehre als Bildhauer, Meisterprüfung 1975, Lehrer für Modellieren und Holzschnitzen an der Berufsschule in St. Ulrich, Leiter mehrerer Abendkurse in Modellieren und Zeichnen. - Viele seiner Arbeiten befinden sich in der Pfalz. Nachfolgend eine Auswahl seiner Kunstwerke aus der Zeit von 1977 bis 2001: Speyer, Dom: romanisches Vortragskreuz; Speyer, Karmelitinnenkloster: Madonna mit Kind; Germersheim: hl. Jakobus; Neustadt, Herz-Jesu-Kloster: Jesus in der Kelter; Hauenstein, Karmelitinnenkloster: byzantinisches Kreuz; Otterberg: Muttergottes; Roxheim: Madonna mit Kind, hl. Sebastian; Landau, Vinzentius-Krankenhaus: Kreuz, Madonna mit Kind, Kreuzweg; Landstuhl-Süd: Kreuz, Madonna mit Kind, hl. Markus; Ormesheim: hl. Mauritius; Zweibrücken, Elisabeth-Krankenhaus: hl. Franziskus; Ludwigshafen am Rhein, St. Ludwig: Kreuzweg, hl. Josef; Hadamar: Krippe; Vatikan: hl. Cäcilia (im Auftrag des Papstes).

Quellen und Literatur: Josef von Nazareth” in Lexika: Lexikon der christlichen Ikonographie. Begründet von Engelbert Kirschbaum SJ †. Herausgegeben von Wolfgang Braunfels. Bd. 7. Rom/Freiburg/Basel/Wien 1974, Sp. 210ff.; Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 5. Freiburg u. a. 1996, Sp. 999-1001; Theologische Realenzyklopädie. Bd. 17. Berlin/New York 1988, S. 245/246; Brockhaus Enzyklopädie in zwanzig Bänden. Bd. 9. Wiesbaden 1970, S. 495; Ökumenisches Heiligenlexikon Online. - Langhäuser, Paul H.: Pfarrei St. Ludwig, Ludwigshafen/Rhein. Kirchenführer. Ludwigshafen am Rhein, 1. Auflage 1997. - Maesel, Markus A. (Hg.): „So zerstörte die alles verherende Aufklärung eine hundert jährige Arbeit …“. „Chronik des Barfüsser Karmelitenkloster zu Heidelberg. Ein Beytrag zur Pfälzischen Kirchengeschichte“. Die deutsche Fassung des P. Gregor Hertwig. Ubstadt-Weiher 1998. - Maesel, Markus A.: Sankt Josef - der Heilige mit den Sicherheitsschuhen. Figurengruppe „Josef im Dialog mit Jesus als Azubi“ in Ludwigshafen/Rhein. In: Holz-Zentralblatt Nr. 34 v. 29.04.2003, S. 516 u. 518 (Der Beitrag wurde für „Weltgeflüster“ aktualisiert und ergänzt). - Neubner, Joseph: Die heiligen Handwerker in der Darstellung der Acta Sanctorum. Ein Beitrag zur christlichen Sozialgeschichte aus hagiographischen Quellen. Münster i. Westf. 1929 (= Münsterische Beiträge zur Theologie, Heft 4). - Schneemelcher, Wilhelm (Hg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. 1. Band: Evangelien. Tübingen, 6. Auflage 1990. - George Segal”. In: Der Brockhaus in fünfzehn Bänden. Bd. 12. Leipzig/Mannheim 1998, S. 437. – P. Emmanuel Dürr OFM († 2008), Leiter der Bibliothek der Thüringischen Franziskanerprovinz auf dem Frauenberg in Fulda, verdanke ich zahlreiche Literaturhinweise.

ÜBRIGENS: HEUTE IST JOSEFSTAG.

Kategorie(n): Geschichtliches und Völkerkundliches, Handwerkliches und Kreatives, Heiliges und Unheiliges, Kurpfälzisches und Südwestdeutsches

1 Beitrag der Leser

  • Markus A. Maesel

    // Mär 19, 2009 at 21:35

    Ein Leser hat mich auf eine neue Veröffentlichung über den hl. Josef hingewiesen:

    Der heilige Josef. Theologie - Kunst - Volksfrömmigkeit. Hrsg. v. Hans-Otte Mühleisen, Hans u. Karl Pörnbacher. Lindenberg im Allgäu: Kunstverlag Josef Fink, 2008.

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