KOMPLOTT

Fiebriges Viehzeug

von Markus A. Maesel · 07.05.2009 · 0 Kommentare

Nutztiere hatten in den letzten Jahrzehnten wenig Freude an ihren Herren und Gebietern. Durch die Massentierhaltung und reines Verwertungsdenken entfremdete sich der Mensch immer mehr von seinen domestizierten Wegbegleitern. Muhend, blökend, gackernd, miauend und grunzend kündigten ihm die Objekte seiner Fleischeslust daraufhin die Freundschaft.

Das Rind empfand, trotz seiner Fähigkeit zum Wiederkäuen, nach 10500 Jahren Gefolgschaft das Leben mit dem Homo sapiens nur noch schwer verdaulich. Das Schaf streikte nach 10000 Jahren. War nicht das letzte, vom Menschen umworbene Schaf „Daisy“, dem Woody Allen in seinem Aufklärungsstreifen „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten“ ein unvergessliches Denkmal setzte? Das Schwein, das sich aufgrund seiner rosa Hautfarbe und der Ähnlichkeit der inneren Organe, dem Menschen besonders nahe fühlte, fand auch schon 9000 Jahre für eine Kündigung als ausreichend. Das Huhn, durch sein orientierungsloses Hin- und Hergerenne zum Mitläufer prädestiniert, schloss sich nach 3500 Jahren mit seinem bekannten Dauernicken dem Komplott spontan an. Kulinarisch missbrauchte Schleichkatzen aus China suchten ebenfalls Obhut in der tierischen Allianz.

Dann schlugen sie zu. Das Rind verfiel in Wahn und feuerte über sein Fleisch Prionen, die es sich vom Schaf geborgt hatte, auf menschliche Gehirne ab. Die Einschusslöcher in den grauen Zellen waren gut sichtbar und versetzten Pathologen in Staunen. Das Huhn gab verschlagen Viren an flugfähigere Artgenossen weiter, die sie als Vogelgrippe um den Globus verbreiteten. Auch den Chinesen blieb mit fiebrigem Blick das Essen im Halse stecken, als sich die gedemütigten Schleichkatzen mit SARS an ihnen und der Welt rächten. Und die Schweine stahlen mit der gleichnamigen Grippe in Mexiko jeder lebensbunten Mariachi-Band die Schau. Und überall starben Menschen.

Nur einer erkannte die Verschwörung der Domestizierten und sah bereits 1997 weitere Attentate voraus – Max Raabe. Der Bariton, welcher mit seinem Palastorchester Lieder der 1920er und 1930er Jahre interpretiert und auch in diesem Stil neu schreibt, warnte alsbald die Menschheit eindringlich:

„Rinderwahn -
wer weiß denn, wo die Rinder war’n,
bevor sie unsern Mündern nahn
als Kotelett.

Sie sollten mal die Inder sehn,
die lassen ihre Rinder stehn,
als Heiligkeit flanieren gehn,
das ist nett.

Der Mensch isst gerne Tiere auf.
Da kam die Kuh als erste drauf.
Drum nennt sie ihren Racheplan
Rinderwahn.

Bedenke, wenn das Rind sich rächt,
geht es uns empfindlich schlecht.
Erst liegt die Kuh im Fieber,
dann Du, mein Lieber.

Die Hühner fühl’n sich seltsam fad,
die Schweine sind schon längst malad.
So greift die ganze Seuche um
aufs Publikum“.

Gehört haben sein lyrisches Alarmsignal nur wenige. Warten wir nun zur Strafe auf Meerschweinchenfieber, Stallhasenwahn und Froschlepra.

Max Raabes „Rinderwahn“ ist auch auf You tube zu hören.

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Makaberes und Skurriles, Tierisches und Pflanzliches

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