MARKTLÜCKE

Gayung

von Markus A. Maesel · 16.07.2009 · 2 Kommentare

Auf dem deutschen Markt scheint es alles zu geben, in allen Farben, Variationen, Preisklassen. Wohin soll der übersättigte Konsument noch sein Auge richten, ohne gelangweilt abzuwinken?

Doch dem Verbraucher kann geholfen werden, ein äußerst nützliches Multifunktionswerkzeug hat bisher noch nicht den Weg in bundesdeutsche Einkaufskörbe gefunden. Die Errungenschaft heißt Gayung und kommt aus dem fernen Indonesien. Es ist ein einfacher Plastikbehälter mit Stiel und Stil. Ursprünglich bestand das Gayung, das in Nordsulawesi den klangvollen Namen Palo-palo trägt, lediglich aus einer Kokosnussschale mit seitlich angebrachtem Holzstiel. Die moderne Kunststofftechnik brachte jedoch Vielfalt in das Behältnis. Plötzlich waren unterschiedliche Volumina und Farben möglich; die Herzform drängte die runde Form zurück; inzwischen haben auch Aufkleber – wie Winnie-the-Pooh-Bären – Einzug in die Gayung-Gestaltung gefunden.

Stillleben mit zwei Gayung  Foto: Maesel

Das Gayung bildet das Rückgrat der indonesischen Hygiene, jeder besitzt es. Denn eine Dusche sucht man im indonesischen Bad - dem Mandi – vergeblich. Stattdessen beherrscht ein tiefes, gemauertes Wasserbecken den Raum. Aus diesem schöpft der reinliche Mensch, ohne je Seife in das Becken gelangen zu lassen, mit dem Gayung Wasser, das er sich über Kopf und Körper schüttet. Im gefliesten Boden befindet sich ein Abfluss, damit die morgendliche und nachmittägliche Wasserschlacht ohne Folgen bleibt. Danach wird mit dem Gayung das Bad gereinigt, auf der Toilette ersetzt es Wasserspülung und Klopapier.

Außerhalb des Mandi hilft es beim Wäschewaschen und Blumengießen. Sicherlich lässt sich die Herzform-Variante des Gayung in der häuslichen Krankenpflege auch als Schnabeltasse einsetzen. Beim Ballermann in Mallorca könnte es bei Sangria-Exzessen die stilvollere Alternative zum Plastikeimer sein. Auch als bruchsichere Teekanne und als Megaförmchen im Sandkasten könnte es in unseren Breiten Karriere machen. Hat das Gayung erst einmal Platz in einem Konsumentenleben gefunden, erschließen sich immer mehr Anwendungen und irgendwann lässt sich der Alltag ohne Gayung nicht mehr bewältigen. Ehen können zerbrechen, aber ein Gayung wird seinen Käufer bis zum Lebensende begleiten. Und die Erben können es noch bei der Grabpflege einsetzen.

Kategorie(n): Geschichtliches und Völkerkundliches, Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Indonesisches und Manadonesisches, Sonstiges und Undefinierbares

2 Beiträge der Leser

  • Winny Riedel-Kanu

    // Jul 16, 2009 at 22:28

    Ich besitze seit Jahrzehnten auch ein Gayung und benutze es täglich. Daran gewöhnt, habe ich bei einem Aufenthalt in einer tunesischen Familie ein entsprechendes Gefäß zum Wasser schöpfen aus der Küche entführt. Das hat mir den Unwillen des Küchenpersonals eingebracht und ich mußte ein neues kaufen.

  • Helga

    // Aug 20, 2009 at 20:48

    Dieses Gayung macht aus einer Dusche ein Ort des Genusses. Kein Wasser braust aus der Dusche über den Kopf, mit diesem Gefäß kann man das Wasser nach seinem eigenen Bedarf über den Körper rinnen lassen. Ein tolles Gefühl.
    Gruß Helga

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