SPARKASSEN-WETTBEWERB

Der verhinderte Limerick

von Markus A. Maesel · 10.03.2010 · 4 Kommentare

Dass mir die Dichtkunst mit ihren vielgestaltigen Versmaßen nicht in die Wiege gelegt wurde, musste ich bereits in der Schule erfahren. Lediglich die raue Prosa hatten die Musen für mich vorgesehen. Neulich holte mich die Vergangenheit mit einem lyrischen Fehlschlag ein, als ich einen Karton mit alten Kopien, Notizen und Zeitungsausschnitten aussortierte.

Plötzlich hielt ich eine Zeitschrift für Sparkassen-Mitarbeiter in den Händen, daran geheftet ein Kritzelzettel und ein Blättchen Papier mit einem kleinen Gedicht in Reinschrift. Das Datum der Zeitschrift ließ erkennen, dass der Vorgang mehr als zwölf Jahre zurück lag. Damals arbeitete ich mit einem Zeitvertrag in der Marketing-Abteilung der Stadtsparkasse Ludwigshafen und konnte auf diesem Wege meine geisteswissenschaftlichen Forschungen und meine fernöstlichen Reisen finanzieren. Den Zusammenhang von Zetteln und Zeitschrift verstand ich zunächst nicht und warf diese daher in den Papierkorb.

Doch langsam dämmerte es mir, dass hier ein verdrängtes, poetisches Waterloo schlummerte, das sich soeben aus den Tiefen meines Seins befreite. Ich holte die Unterlagen auf den Schreibtisch zurück und durchblätterte die Zeitschrift. Dort war ein deutschlandweiter Wettbewerb ausgeschrieben, für den Sparkassen-Mitarbeiter Limericks einsenden sollten, die sich „um die Welt der Sparkassen und des Geldes“ drehten. Erklärend hieß es weiter: „Limericks sind fünfzeilige scherzhafte Nonsens-Gedichte mit der vorgeschriebenen Reimfolge a-a-b-b-a, wobei die beiden bb-Zeilen einen verkürzten Rhythmus einhalten. Und ein Ort muss auch vorkommen, nach Möglichkeit kein – um des Reimes Willen – erfundener“.

Dieser Herausforderung wollte ich mich damals stellen und mein dichterisches Talent doch noch unter Beweis stellen. Spontan und euphorisch entglitt ein Reimgebilde meinem Kugelschreiber:

„Ein Sparkassenkunde auf Rügen

wollt’ über Tantes Konto verfügen

und morgens,

als im Bad sie sich entblößte,

in Natronlauge er sie auflöste“.

Ich überflog das potenzielle Meisterwerk: Die Sparkasse kam darin vor, ebenso die Welt des Geldes, eine geografische Bezeichnung war vorhanden, fünf Zeilen waren es auch und an Nonsens mangelte es ebenfalls nicht. Nur die Limerick-Reimfolge a-a-b-b-a fehlte. Aber diese noch ausstehende klitzekleine Kleinigkeit ließ sich sicherlich schnell beheben. Wo ein Wille ist, ist auch Kreativität. Poesie für alle, jeder Mensch ist ein Künstler.

Doch meine Zuversicht wurde immer kleinlauter, zunehmend beschämter saß ich vor den nach Veredelung und Aufwertung hungernden Zeilen und Buchstaben meiner Verse. Viele Stunden, über mehrere Tage verteilt, feilte ich an dem Text herum, doch der Reimfrosch ließ sich nicht in einen Limerickprinzen umküssen. Zuletzt ertrug ich die vorwurfsvoll geschwungenen Hungerbäuche der Buchstaben und deren aus Verzweiflung abgemagerten Hasten nicht mehr. Soviel Elend auf einem kleinen Stück Papier! Ich wollte nur noch wegschauen und legte Sparkassenzeitschrift und Gedicht verlegen in besagtem Karton ab. Dabei fühlte ich mich wie ein die Elternschaft verweigernder Rabenvater, der sein Neugeborenes gerade in der Babyklappe abgelegt hatte. Meine lädierte Selbstachtung löste ich im Vergessen auf, nicht in Natronlauge.

Quelle: Helmut van Rinsum (HvR): Limerick-Wettbewerb. Was sehen von der Welt. In: Blickpunkt. Die Mitarbeiter-Zeitschrift der Sparkassen-Finanzgruppe, Nr. 1,  Januar 1998, 10. Jahrgang, Stuttgart: Deutscher Sparkassen Verlag, Seite 7.

Kategorie(n): Ausgekramtes und Entdecktes, Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Makaberes und Skurriles

4 Beiträge der Leser

  • Peter Beerhalter

    // Mär 10, 2010 at 13:09

    “Ein armer, weil erfolgloser Dichter auf Rügen
    wollt’ über Tantchens Sparkassenkonto verfügen.
    Beim Versuch, sie anzupumpen
    schalt sie ihn einen Lumpen.
    So hat er gelernt, sich mit Hartz IV zu begnügen”

    Ist doch weitaus zeitgemäßer als Mord und Totschlag und die FDP hat wieder jemanden, den sie zum Schnee schippen einteilen kann…

    Herr Westerwelle, übernehmen Sie…

    Peter Beerhalter

  • Heriman

    // Mär 13, 2010 at 08:28

    Hallo,

    ein Vorschlag für die Lösung der Lösung:

    Ein Pharmazeut aus Posen
    vertreibt in homöopathischen Dosen
    die aufgelöste, bekannte
    Rügener Tante
    als Spezialwachstumsmittel für Rosen.

    Hic stat rosa pristina…

    Viele Grüße,
    Heriman

  • Helga

    // Apr 16, 2010 at 20:51

    Hallo Markus,

    ich wollt einen Limerick schreiben,
    doch dann ließ ich es einfach bleiben.
    Die Tante war schon tot -
    was tu ich in meiner Not -
    mir anders die Zeit vertreiben.

    Gruß
    Helga

  • Klaus Schedlberger

    // Mai 7, 2010 at 13:23

    Ein Sparkassen-Kunde aus Hessen
    beschloss, seine Bank zu erpressen.
    Es ging um viel “Kies” -
    doch Alzheimer ließ
    den Plan ihn gleich wieder vergessen…

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