SCHATZINSEL

Der schwarze Fleck

von Markus A. Maesel · 27.12.2010 · 2 Kommentare

An Weihnachten ist bei uns „Die Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson auf DVD eingezogen. Die mittelalten Semester werden sich noch an den 1966 gedrehten ZDF-Adventsvierteiler erinnern, der die Straßen leer fegte und die Nation vor den Fernsehapparaten versammelte. Mein Nachwuchs im Kindergarten- und Grundschulalter kannte diese Piratengeschichte noch nicht, die wir uns gegen alle pädagogischen Empfehlungen am zweiten Weihnachtsfeiertag komplett zu Gemüte führten. Am meisten beeindruckte die Kinder dabei der schaurige Shanty „Fünfzehn Mann auf des toten Mannes Kiste, yo-ho-ho und ’ne Buddel voll Rum!“ (Link zum Ohrwurm), und vor allem der schwarze Fleck.

Der schwarze Fleck ist eine Erfindung von Robert Louis Stevenson und wurde später auch von anderen Autoren aufgegriffen. Vergegenwärtigen wir uns die Urszene: Die Eltern des jungen Jim Hawkins bewirtschaften den abgelegenen Landgasthof „Admiral Benbow“ in der Nähe von Bristol. Eines Tages nistet sich ein alter Seemann bei ihnen ein, der sich nur der „Captain“ nennt und kaum nüchtern anzutreffen ist. Bill Bones, so sein Name, ist auf der Flucht vor seinen ehemaligen Kumpanen, denen er die Schatzkarte des berüchtigten Piratenkapitäns Flint vorenthält, auf dessen Schiff sie gemeinsam gesegelt waren. Nach einiger Zeit wird er vom „Schwarzen Hund“, einem der Seeräuber entdeckt, der von ihm vergeblich die Karte fordert. Es kommt zu einem fürchterlichen Streit. Etwas später überbringt der blinde Bettler Pew dem wieder einmal betrunkenen Bones einen Zettel mit einem schwarzen Fleck in der Mitte, um den herum geschrieben steht: „Du hast noch vier Stunden zu leben“. Als die Piraten kommen, um das Urteil zu vollstrecken, liegt Bones bereits durch einen Schlaganfall getötet auf dem Boden des Wirtshauses.

Die Filmszene blieb nicht ohne Folgen. Plötzlich saß mein kleiner Sohn auf dem Laminatboden und bemalte Zettel mit schaurigen Symbolen und in der Mitte jeweils mit einem schwarzen Punkt. Auch versuchte er in ungelenker Erstklässlerschrift Botschaften zu transportieren. Nach und nach drückte er mir die gefalteten Zettel mit schalkhaftem Blick in die Hand und teilte mir in eiskalter Piratenmanier mit, dass ich nur noch eine halbe Stunde zu leben habe. Er hoffte auf meine angsterfüllten Blicke vor dem harmonietrunkenen, beleuchteten Weihnachtsbaum. Seine jüngere Schwester versah daraufhin ebenfalls einen Zettel mit einem Punkt, den sie mir verlegen überreichte. „Papa, Du darfst noch leben“, tröstete mich mein Sonnenschein.

[Quellen: Art. “Der schwarze Punkt“. In: Wikipedia; Art. “Die Schatzinsel (1966)“. In: Wikipedia. Wer mehr über Admiral Benbow wissen will, vgl. Art. “John Benbow“. In: Wikipedia].

Kategorie(n): Makaberes und Skurriles, Sonstiges und Undefinierbares

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