EINE NOCH-NICHT-BEGEGNUNG

Der Teufel in der Domorgel

von Markus A. Maesel · 21.06.2015 · 0 Kommentare

Die Erlebnisführung „Der Teufel in Trier“ lässt keinen Zweifel daran, wie der Höllenfürst in der mittelalterlichen Stadt den Seelen nachstellte. Nachdem der Glaube an seine Existenz in der Neuzeit bröckelte, fand er 1974 ausgerechnet im Trierer Dom Zuflucht. Versteckt in der Schwalbennestorgel der ältesten deutschen Bischofskirche und vereint mit seinem Chef, der für das Gute zuständig ist. Die Luke, hinter der sich der Teufel in der reichverzierten Orgel verbirgt, habe ich noch nie offen gesehen, immer besuche ich zur falschen Zeit das Gotteshaus. Nur der Organist kann den Unterweltspezialisten mithilfe eines Hebels an die Öffentlichkeit befördern.

Fotos und ein Kurzfilm im Internet zeigen ihn als ein Wesen mit spitzen Hörnern, überdimensionierten Vulkanierohren und einem dunklen Vollbart. Mit beiden Händen hält er eine Panflöte an den Mund. Zur Ehre Gottes muss er vor den Gläubigen aufspielen, nur mit schiefen Tönen kann er dagegen noch passiven Widerstand leisten. Mit Genugtuung stellte der Erbauer der Orgel, Hans Gerd Klais, vor vielen Jahren in einem Interview fest: „Ich habe den Teufel gezwungen, Musik zu machen“. Offiziell möchte man in Trier aber den lichtscheuen Domorgelinsassen lieber als griechischen Hirtengott Pan gedeutet wissen – ein Mischwesen aus Ziegenbock und Mensch, außerdem Erfinder der gleichnamigen Flöte.

Wen habe ich nun wirklich vor mir? Teufel oder Pan? Letztendlich verschmelzen in der Wahrnehmung und Ikonographie des christlichen Mittelalters beide Wesen zu einer einzigen dunklen und bösen Existenz. Der Teufel als Ziegenbock. Panischer Teufel und teuflischer Pan. Wenn ich es aber trotzdem ganz genau wissen will? Dann kann nur noch der Nasentest die Wahrheit ans Tageslicht bringen. Dieser findet sich in der „Wolke des Nichtwissens“ überliefert, einer mystischen Schrift, die Ende des 14. Jahrhunderts ein unbekannter englischer Kartäusermönch verfasst hat. Der fromme Mann hatte von Vertretern der schwarzen Magie und von Menschen mit Teufelsbegegnungen erfahren, dass der Satan, gleichgültig welche Körpergestalt er gerade annehme, immer nur ein einziges großes, weites Nasenloch besitze. Er halte es in die Höhe, damit die Menschen hineinschauen. Man könne dann bis zum Hirn in seinem Kopf sehen. Dieses Hirn sei aber das Höllenfeuer selbst, bei dessen Anblick man den Verstand für immer verliere. Dagegen sei die Nasenscheidewand ein irdisches Zeichen dafür, dass der Mensch über die geistige Unterscheidungskraft verfüge, das Gute vom Bösen zu trennen.

Mit diesem geistigen Rüstzeug versehen, werde ich mich nächstes Jahr beim Orgelspiel im Trierer Dom einfinden. Direkt unter der Luke der Schwalbennestorgel werde ich mich platzieren und dem finsteren Gesellen bei seinem Auftritt in die Nase hineinschauen. Nasenscheidewand oder nicht, das ist hier die Frage. Entlarven werde ich ihn, Teufel oder Pan. Vorsichtshalber werde ich eine Sonnenfinsternis-Brille aufsetzen, um beim möglichen Anblick eines brennenden Teufelshirns nicht verrückt zu werden. Höflich hört mir meine Familie beim Abendessen zu, als ich ihr von meinem nasenprüferischen Vorhaben erzähle. Plötzlich lacht mein Sohn schallend: „Hoffentlich fällt dann kein Nasenpopel auf dich herunter“.

[Der Auftritt des Teufels bzw. Pans in der Trierer Domorgel ist in einem Kurzvideo auf Youtube zu sehen (Zum Film). – Quellen: Der Teufel in Trier. In: Erlebnisfuehrungen.de; Gerhard W. Kluth: Das Teufelchen im Trierer Dom. In: Volksfreund.de vom 6.08.2010; Musik aus dem Schwalbennest 2015. In: Bistum-Trier.de; Hans Gerd Klais 65 Jahre. In: Holz-Zentralblatt Nr. 144 vom 1.12.1995, S. 2409; Art. „Pan“. In: Wikipedia; Die Wolke des Nichtwissens. Übertragen und eingeleitet von Wolfgang Riehle. Einsiedeln 2004, 7. Auflage (= Christliche Meister, Bd. 8), Kapitel 55, S. 124-127 (besonders S. 126)].

Kategorie(n): Heiliges und Unheiliges

Noch keine Beiträge der Leser

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Kommentar: