COCHEM

Zwei merkwürdige Wesen

von Markus A. Maesel · 31.07.2016 · 1 Kommentar

Cochem ist das touristische Zentrum an der unteren Mosel. Vor allem Niederländer und Flamen, daneben Skandinavier, Amerikaner und Briten zieht es in diese schöne Stadt. Die Generation Silberhaar dominiert national wie international in den kleinen Gassen mit mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bauwerken. Sein Image „Ballermann an der Mosel“ konnte der Weinort weitgehend ablegen, nur aus zwei Kneipenkellern entweichen Dunstmischungen von Schweiß und Alkohol, aus deren Lautsprechern tönt es: „Du hast mich tausendmal belogen …“. Überragt wird der Ort von der Reichsburg Cochem, bei deren Wiederaufbau im 19. Jahrhundert ein Berliner Geheimer Kommerzienrat eindrucksvoll mit seinem Geldbeutel preußische Mittelalter-Phantasien ausgelebt hat.

Vor der Burgmauer thront auf einem Sockel ein Froschkönig mit schwerer Krone. Sinnierend scheint er auf die Mosel und den Stadtteil Cond zu blicken. Enttäuscht, dass keine der zahlreichen Niederländerinnen von Romantik beseelt auf die Brüstung steigt, um ihn als Prinz ins Leben zu küssen. Doch solche Gefühlsaufwallungen kann man bei einer Kaufmannsnation wohl nicht erwarten. Entzaubernd wirkt die Burgführerin. Das Standbild sei nicht „Kermit“, sondern ein Ritter mit Stechhelm. Ein schwerer Turnierhelm des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, der auch Krötenkopfhelm genannt wurde. Und ich dachte, der Wiederaufrichter der Burg hätte Sinn für Ironie gehabt. Miss Piggy, das „anthropomorphe Schwein“ (Wikipedia) aus der Muppet-Show, wäre trotzdem auf den Froschritter abgefahren. Und auch auf den zweiten Blick bleibt dieser Ritter für mich ein Frosch. Wenn er mir die richtigen Lottozahlen verriete, würde ich ihn sogar küssen. Der frühneuzeitliche Mystiker Angelus Silesius sah übrigens bereits das himmlische Potenzial der Amphibie: „Mensch, nichts ist unvollkomm’n; der Kies gleicht dem Rubin, der Frosch ist ja so schön als Engel Seraphim“.

An einem Haus am Cochemer Marktplatz begegnet mir noch eine weitere merkwürdige Gestalt. Ein Nix, ein fischschwänziger Mann, scheint das alte Gebäude zu stützen. Schutzgeist bei Überschwemmungen? Maskuline Konkurrenz an der Mosel zur männermordenden Loreley  am nahen Rhein, die zeitweise ebenfalls als Nixe gedacht wurde? Mit seinem 70er-Jahre-Schnurrbart dürfte der Wassermann allerdings nur Touristinnen in der zweiten Lebenshälfte beeindrucken. Und die niederländischen Besucher dürften ihn für einen anthropomorphen Hering halten. Eine vielversprechende Karriere als Matjes-Mann neben Frau Käse-Antje aus Holland in der Werbung?

Fotos: Markus A. Maesel

Kategorie(n): Geschichtliches und Völkerkundliches, Kurpfälzisches und Südwestdeutsches, Tierisches und Pflanzliches

1 Beitrag der Leser

  • Daniela Seier

    // Feb 25, 2024 at 21:16

    Der “Frosch” ist wirklich seltsam ^^ Aber auf jeden Fall ein Hingucker, habe ihn heute auch mal wieder live bestaunen dürfen :)
    Gruß
    Daniela

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