MEINE UNWÖRTER 2013

PR- und Veganersprech

von Markus A. Maesel · 26.01.2014 · 3 Kommentare

Mit „Sozialtourismus“ und „GroKo“ (Große Koalition) wurden bereits offiziell das „Unwort“ und das „Wort“ des Jahres 2013 gekürt. Die Unwörter, über die ich letztes Jahr gestolpert bin, sind unspektakulärer; sie sind eigentlich nur kleine Notizen am Wegesrand, eben nur leises Weltgeflüster eines Menschen, dessen alltäglicher Erfahrungsbereich sich zwischen Ludwigshafen und Stuttgart erstreckt.

Zunächst haben mich in PR-Texten zwei Begrifflichkeiten erzürnt, bei denen ich mich wieder einmal gefragt habe, wie dumm die vermeintlichen Wortkreativen in PR- und Marketingabteilungen ihre Adressaten eigentlich halten. Was soll eigentlich das Wort „Leistungsinhalte“ besagen? Gibt es etwa Leistungen ohne Inhalt? Inhaltslose Leistungen wären doch heiße Luft. Was soll diese sinnlose Tautologie?

Ebenfalls im Bereich der verbalen Umweltverschmutzung siedle ich den Begriff „zukunftsorientierte Visionen“ an, der mir in Zusammenhang mit Firmen begegnet ist. Dass mich generell zu Visionen überhöhte Ideen ärgern, habe ich hier auf „Weltgeflüster“ schon ausgiebig kundgetan (vgl. „Worthülsen: Visionen“). Wenn eine Idee, oder großkotzig Vision, in Wirtschaft und Technik nicht zukunftsorientiert wäre, welchen Sinn würde sie dann machen? Auch wieder eine inhaltsleere, verzichtbare Tautologie.

Besonders ins Herz geschlossen habe ich jedoch letztes Jahr den „Kangatarier“, der in einem Sonderteil der Wochenzeitung „Die Zeit“ über vegane Lebensstile abrupt und unauslöschlich in mein Leben getreten ist. Bekanntlich lehnen Veganer den Verzehr von Tieren und die Nutzung tierischer Produkte mit dem Impetus einer säkularen Ersatzreligion ab. Der sektiererische Kangatarianismus erlaubt sich aber im Gegensatz zur veganen Hochreligion eine einzige Ausnahme von der reinen Lehre: Kangatarier möchten auf keinen Fall auf den Verzehr von Kängurufleisch verzichten. Schließlich sei das Fleisch dieser Sprungkünstler extrem fettarm, im Vergleich zu Schafen und Rindern hätten sie eine wesentlich günstigere CO2-Bilanz und ein einziger Schuss ins Gehirn würde die Tiere human in den Känguruhimmel befördern. Unschwer zu erraten, dass das Hauptverbreitungsgebiet der kangatarischen Erweckungsbewegung in Australien liegt.

Wenn nun ein solcher veganer Kängurufresser plötzlich noch Heißhunger auf Eier und Milch bekommt – ist er dann ein Ovolaktokangatarier? Und wenn ein australischer Jünger dieses Lebensstils bei einem Afrikaurlaub feststellt, dass Zebras und Nilpferde auch eine wertvolle Bereicherung des Speiseplans sein können – mutiert er dann zum Kangazebrahippopotamotarier? Flüchten da nicht sittenstrenge Veganer aus Verzweiflung hilfesuchend zu den Anonymen Tofuholikern? Den Kangatarier sollte der kritische Zeitgenosse unbedingt nach seinen „Leistungsinhalten” abklopfen und überprüfen, ob diesem Konzept noch „zukunftsorientierte Visionen” zugrunde liegen. Aber als Omnivore – Allesfresser – kann ich ja gut lästern.

[Quellen: „Sozialtourismus“ zum „Unwort des Jahres 2013“ gewählt. In: Die Welt vom 14.01.2014; Kleines Lexikon der Ernährungsstile (HAB). In: Die Zeit Nr. 44 vom 24.10.2013, S. 37 (Beitrag inzwischen auch online); Dorothée Lefering: Essen & Trinken - In Australien eine Lebenseinstellung. In: Reisebine.de].

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Makaberes und Skurriles, Tierisches und Pflanzliches

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