Es ist Abend. Ich rasiere mich gerade im Bad, derweilen bastelt meine kleine Tochter in ihrem Zimmer aus farbigem Tonpapier Blumen. Sie kommt zu mir und fragt, ob ich Rosen mag und in welcher Farbe. Bald darauf bringt sie mir eine rote Tonpapierblume. Etwas verlegen sagt sie: „Schreibe eine Geschichte über meine Rose, so wie du das damals mit meinem Papierfisch getan hast“ (vgl. Beitrag über den bunten Wüstenfisch). Dann verschwindet sie wieder in ihrem Zimmer. Nachdenklich gehe ich ins Bett.
Eine Auftragsgeschichte – ein schwieriges Unterfangen. Ich denke unwillkürlich an Antoine de Saint-Exupérys kleinen Prinzen, dessen unglückliche Liebe zu einer Rose ihn in die Planetenwelt hinaustreibt. Und an seinen Schmachtsatz, an den sich bis heute gebrochene Herzen trostsuchend klammern: „Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig“. Auch kommt mir Rainer Maria Rilkes Rosenerlebnis mit der Bettlerin in Paris in den Sinn, das hier auf meinem Blog bereits Gegenstand einer Betrachtung war (zum Beitrag). Oder Zarah Leander, die mit trauriger, rauchiger Stimme von der rauschenden Schellackplatte singt: „Du darfst mir nie mehr rote Rosen schenken …“. Aber eine eigene Rosengeschichte für die Tochter? Sind über rote Rosen nicht schon alle Geschichten geschrieben und erzählt worden?
Bei meiner Tochter kommen mir eher andere Blumen in den Sinn. So sitzt die Hindugöttin Saraswati, von der sie den zweiten Vornamen hat, auf einem Lotos als Zeichen der Weisheit. Als Kleinkind bog sie im Garten immer die Gold-Schafgarben auf Mundhöhe und gebrauchte deren Blüten laut singend als Mikrofon. Im Park pflückte sie für mich kleine Sträuße mit Gänseblümchen als Zeichen ihrer Zuneigung. Als gemeinsames Rosenerlebnis hatten wir bisher nur einen Besuch im Rosengarten in Zweibrücken, bei dem wir uns über die oft eigenartigen Namen der verschiedenen Züchtungen lustig machten. Aber „Sexy Rexy“ und „La Belle de Deux Ponts“ geben noch keinen Stoff für eine Geschichte her. Vater und Tochter werden sich wohl gemeinsam auf den Weg machen müssen, um ihre eigene, unverwechselbare Rosengeschichte zu finden.
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