TOTENMONAT NOVEMBER

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von Markus A. Maesel · 12.11.2016 · 0 Kommentare

Unterwegs bei Bestattungszulieferern – Pietätsartikel- und Sarghersteller. „Das einzig Sichere im Leben nach der Geburt ist der Tod“, höre ich bei ihnen. Unverständnis, dass bei dieser Gewissheit keine Vorsorge für einen individuellen Abschied getroffen wird. Tabu bei den offensichtlich ewig jungen Menschen unserer Zeit. Kein „Abschied mit allen Sinnen“. Eher Überforderung, wenn unerwartet das Erwartbare eintritt. „Mors certa, hora incerta“, der Tod ist gewiss, die Stunde ungewiss, steht als Inschrift bei alten Uhren. Ratlose Betroffenheit und Hilflosigkeit bei den überlebenden Todverdrängenden, wenn der Sensenmann sein zahnfleischloses Gebiss fletscht. Standardprogramm auf dem letzten Weg, oft Entsorgungsmentalität. Dabei ist der Sarg doch „eine Beziehungskiste mit dem Tod“, wie ich bei dem Aphoristiker und Chemiker Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger gelesen habe. Ein Sarg sei wie ein Möbelstück, erklärt der Sarghersteller vor seinem vielfältigen Sortiment. Ein Erdmöbel eben. Als einst der Kabarettist Klaus Havenstein bei einem Sketch in einen Sarg linste, ertönte der LBS-Slogan: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause“. Auch Havenstein hat inzwischen sein hölzernes Zuhause gefunden. „Ruhe sanft“ steht zweifach auf einem gerade frisch gebügelten Trauerdeckchen des Bestattungswäscheherstellers. Im hölzernen Schlafrock. Novembernebel und Herbstlaub.

Ohne weitere Worte – Foto: Markus A. Maesel

[Quellen: Markus A. Maesel: “Das einzig Sichere im Leben ist der Tod”. Mit dem Bundesverband Bestattungsbedarf in die Tiefen des Trauermarktes, zu Hopf-Pietätsartikel und zur Sargfabrik Wurth. In: Holz-Zentralblatt Nr. 44 vom 4.11.2016, S. 1069-1071; Zitat von Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger in: Aphorismen.de; zum “hölzernen Schlafrock” siehe Weltgeflüster-Beitrag: Kapuzinade].

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Sonstiges und Undefinierbares

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