ABWEHRSTRATEGIE (3)

Inkarnierte Plagegeister

von Markus A. Maesel · 07.04.2009 · 0 Kommentare

Dass unheilbringende Geister gerne an Hauseingängen lauern und die betroffenen Menschen dagegen Strategien ersinnen, wurde bisher am Beispiel der Minahasa und Balinesen aufgezeigt. Ein drittes ethnographisches Beispiel – dieses Mal nicht aus Indonesien - soll die Serie „Abwehrstrategie“ abrunden und abschließen.

Mitten in Europa lebt ein Volk, das sich die Deutschen nennt und in mehr als ein Dutzend Stämme unterteilt ist. Auch dort gab es Geister, die schadenswillig und schadenfroh an Türen und Toren auf ihre Opfer warteten. Doch in unseren modernen Zeiten kamen die Bösewichter aus dem Staunen nicht mehr heraus, als sie sich dort plötzlich mit ungewohnter Konkurrenz auseinandersetzen mussten.

Da drängten sich an den Haustüren merkwürdige Wesen in blauen Anzügen, weißen Hemden und dunklen Krawatten vor, die mit einem Stück beschriebenen Papier, für das jeden Monat gezahlt werden sollte, das Leben der Menschen sicherer machen wollten. Dann gesellten sich freudlose Zukunftsexperten hinzu, die vom baldigen Weltuntergang erzählten und zu einem Wechsel der Religion rieten. Weitere Türinvasoren wollten das Leben der Hausbewohner mit Wäscheklammern, Staubsaugern, Teppichen und Schönheitscremes glücklicher machen. Andere forderten die Menschen hinter den Türen auf, mit Spenden für verlassene Tiere, hungernde Afrikaner und in Not geratene Mitbürger ihr Gewissen zu entlasten. Austrocknende Gestalten baten an den Eingängen eindringlich um milde Gaben, damit sie gegen den sie verzehrenden inneren Brand vorgehen konnten.

Gegen diese neuen Plagegeister entwickelten die Deutschen nur bedingt wirksame Abwehrstrategien. Sie befestigten Aufkleber an Türen und Toren mit der Aufschrift „Keine Werbung“ und Schilder warnten vor bissigen Hunden, auch wenn hinter der Haustür nur ein Rehpinscher die Zähne fletschte. Wenn es ihnen zu bunt wurde, riefen sie Ritualexperten in grünen Kleidern zu Hilfe, die mit dem Zauberwort „Hausfriedensbruch“ die modernen Quälgeister zeitweilig bannten.

Diesen neuen, lautstarken und stillosen Haustür-Vandalen konnten die eher still agierenden, klassischen Geister mit ihrem über Jahrhunderte gewachsenen Schadensrepertoire nichts mehr entgegensetzen. Sie konnten nicht einmal mehr auffallen. Frustriert wanderten sie aus. Vielleicht gingen sie nach Indonesien, wo ein Geist noch ungestört ein Geist sein darf, und von seinen Gegenspielern zumindest noch beachtet wird.

Kategorie(n): Gesellschaftliches und Wirtschaftliches, Heiliges und Unheiliges, Serielles und Fortgesetztes

Noch keine Beiträge der Leser

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Kommentar: