MEDITIERENDER STÖRENFRIED

Pink Buddha

von Markus A. Maesel · 23.05.2009 · 2 Kommentare

Ein rosaroter Buddha ist letztes Jahr in unser Familienleben getreten. Ein Arbeitskollege hatte ihn als Opfer einer Ausräumaktion in meine Obhut gegeben, nachdem er über „Weltgeflüster“ erfahren hatte, dass in unserem Garten unter einem Feigenbaum bereits ein Buddha residierte.

Gerne gaben wir ihm Asyl in der heimischen Gartenstadt. Nicht auszudenken, wenn ihn jemand an einer Autobahnraststätte ausgesetzt oder mit einer Leine im Stadtpark an einen Baum gebunden hätte. Wir tauften den Neuankömmling „Pink Buddha“ und setzten ihn neben seinen meditierenden Kollegen. Gemäß dem Bibelwort „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ (1. Mose 2,18) glaubten wir, den beiden Asiaten damit einen Gefallen getan zu haben. Doch der angestammte Buddha reagierte pikiert. Er wirkte plötzlich weniger entrückt und drohte nach langer, harter Entsagungsarbeit in die Begierden des Samsara zurückzufallen.

Neuankömmling „Pink Buddha“

Ein abgeklärter Buddha habe golden oder steinfarben zu sein, ließ er uns spüren. Sein rosaroter Nachbar sei zu mondän, nicht einmal ein Bodhisattva, geschweige denn ein Buddha. Er wolle auffallen, aber Geltungssucht und Nirwana vertrügen sich nun einmal nicht. Er sei eine Quelle der Ablenkung, der Versuchung und des Unfriedens für jeden anständigen gartenstädtischen Buddha. Pink Buddha saß schweigend daneben und lächelte unschuldig zu den erhobenen Vorwürfen. Platzhirsch-Buddha fühlte sich dadurch noch mehr gereizt und ereiferte sich. Alle Menschen, die Pink Buddha bisher gesehen hätten, hätten zumindest mit Erstaunen auf sein Erscheinungsbild reagiert. Lästerliche Zungen wollten ihn aufgrund seiner Farbe gar als Schutzpatron für den Christopher-Street-Day vorschlagen. Dabei sei das unschöne Wort „Schwuchtelbuddha“ gefallen. Pink Buddha schaffe Leidenschaften, anstatt deren Abtötung zu fördern; er sei eine Schande für die gesamte meditierende Zunft. Der Platzhirsch sah uns in der Pflicht, wieder eine nirwanafreundliche Atmosphäre im Garten herzustellen. Zurück zur vorstädtischen Ödnis, die vom Jenseitsverlangen nicht ablenke.

Der Stammbuddha (Platzhirsch)

Reumütig setzten wir Pink Buddha in ein entfernteres Blumenbeet und hofften, dass sich die beiden geistlichen Herren bei ihrer Selbsterlösung nicht mehr in die Quere kamen. Befreit von der nachbarlichen Last der grauen Eminenz blühte Pink Buddha gemeinsam mit den ihn umgehenden Blumen und Sträuchern auf, sein glänzendes Rosarot blitzte im nachmittäglichen Sonnenlicht und machte ihn zur beherrschenden Erscheinung im Garten. Leuchten statt Erleuchtung, schien seine Devise zu sein.

Zwischen beiden Buddhas herrschte nun Schweigen, ein angespanntes Schweigen. Es war als ob zwei Steine ins Wasser geworfen worden wären, die Kreise zogen und deren äußerste Ringe aneinander stießen und sich überlappten. Ein weiteres Spannungsfeld entstand, als der rosarote Lebebuddha nicht auf das Gesprächsangebot unseres leutseligen Sprösslings einging. „Der Buddha bekommt drei Wochen Meditierverbot“, verkündete unser Junge daraufhin rachsüchtig und missachtete ihn seither. Wir ertrugen die latenten Missstimmungen im Garten den ganzen Sommer über, denn einen professionellen Mediator konnten wir uns aus finanziellen Gründen nicht leisten. Sollten die beiden Buddhas und unser kleiner Sohn doch sehen, wie sie miteinander zurechtkamen.

Buddha-Dämmerung

Als das erste Herbstlaub fiel, wollte ich die beiden kälteempfindlichen Asiaten zum Überwintern in den Keller tragen. Ich hob Pink Buddha von seinem Podest - und dabei fiel ihm der Kopf ab. Sein Innenleben bestand wider Erwarten nicht aus gebranntem Ton, sondern aus einer faserigen Pressmasse, die durch die Feuchtigkeit vollgesogen und vermodert war. Spöttisch und etwas altklug kommentierte unser Kunststoffkomposter Herwi, der das Ganze aus nächster Nähe beobachtet hatte, mein Entsetzen: „Gedenke Mensch, dass Du aus Staub bist und zu Staub zurückkehren wirst“. Und verdampfte weiterhin genüsslich den Eimer Gemüseabfälle, den ich ihm einige Stunden zuvor gereicht hatte.

Stiller Beobachter „Herwi“ - Fotos: M. Maesel

Der Stammbuddha unter dem Feigenbaum schien die Art des Niedergangs seines Konkurrenten als stimmig mit dessen Lebensstil zu betrachten. Beruhigt, dass sich die reine Lehre bewahrheitet hatte, fand er wieder zur heiteren Gelassenheit und befreienden Entsagung zurück. Denn Zweifel auf seinem stringenten spirituellen Weg konnte er sich nicht leisten.

Auf „Weltgeflüster“ wurden der Platzhirsch-Buddha (Und Buddha schweigt) sowie Kunststoffkomposter Herwi (Mein Freund Herwi) bereits in einzelnen Beiträgen vorgestellt.

Kategorie(n): Heiliges und Unheiliges, Kurpfälzisches und Südwestdeutsches, Makaberes und Skurriles

2 Beiträge der Leser

  • Peter Beerhalter

    // Mai 23, 2009 at 06:54

    Lieber Dr. Maesel,

    ja ahnen Sie denn nicht einmal, welches Drama sich in Ihrem vermeintlichen Idyll abgespielt hat?!

    Feiger und hinterhältiger MORD!

    Mein erster Gedanke war, dass hier ein Problemheiliger mit Migrationshintergrund, welchem zudem Verstrickungen in die Homosexuellenszene nachgesagt wurden, Opfer eines Anschlags so genannter „gutbürgerlicher Kreise“ geworden ist. Seit „Mosi“ Mooshammer und Walter Sedlmayr weiß der deutsche Spießer ja mit selbstzufriedener Genugtuung, wie das enden kann. Oder soll …

    Ich hielt dies jedoch für unwahrscheinlich, denn der deutsche Bürger mordet zwar gerne, oft und gekonnt, aber nur verbal.

    Selbstverständlich kam dann mein Verdacht auch auf den Alt-Buddha. Jahrelang der Platzhirsch mit Familienanschluss, uneingeschränkter Herrscher über das Kontemplationsareal hinter Ihrem Haus, musste dieser sich doch zwangsläufig durch den von Ihnen installierten Konkurrenten als aufs Altenteil abgeschoben betrachten. Jung, modern, allen Zeitgeistströmungen und Moden offen, ließ der Neue ihn nicht nur sprichwörtlich alt aussehen. Die Zuneigung zu ihm schwand, sein Frust stieg. Grund genug für einen Mord, sollte man meinen …

    Als Täter kommt aber auch er definitiv nicht in Betracht. Ein hieb- und stichfestes Alibi belegt, dass er zur Tatzeit ein Gedächtniskonzert zu Ehren der Gruppe „Nirvana“ in Lüdenscheid-Süd besuchte.

    So, und nun zum Täter, er heißt

    HERWI ! ! !

    Ja, der unbedarfte, in seiner Schrulligkeit so liebenswerte HERWI aus der Gattung der Öko-Komposter war der Mörder! Nach außen ein unscheinbarer, jederzeit verlässlicher Partner, dem Sie und Ihre Familie jahrelang vertrauen konnten. Wahrlich alles hat diese Kreatur klaglos in sich hineingefressen: verschimmeltes Obst und Gemüse, gärenden Grasschnitt, unverdauliche Holzabfälle und vieles Unappetitliche mehr, alles ohne jemals aufzubegehren. Geliebt wurde er schon lange nicht mehr, nur noch benutzt.

    Und dann kommt eines Tages dieser schrille, trendige neue Mitbewohner und alle Aufmerksamkeit wendet sich diesem zu. Und das, obwohl der „Neue“ außer selbstzufrieden vor sich hin zu glotzen, nichts leistet, keinen Daseinszweck erkennen lässt. Schon der erste Buddha war eine Zumutung, der zweite aber war zuviel …

    So musste er handeln …

  • Markus A. Maesel

    // Mai 25, 2009 at 08:40

    Lieber Herr Beerhalter,

    mit dankbarem Entsetzen habe ich Ihre profunde, tiefenpsychologische Ausleuchtung der Vorgänge in meinem vorstädtischen Reinkarnationsidyll gelesen. Herwi - ich kann es immer noch nicht fassen, ausgerechnet er … seit mehr als 15 Jahren mein treuer Begleiter … ein Mörder.

    Mein Sohn – Sie wissen um seine besondere Beziehung zu Herwi (http://www.weltgefluester.de/index.php/2008/05/21/mein-freund-herwi/) - hat sich nach Ihrer Nachricht schützend vor ihn geworfen. Ein Einbrecher mit schwarzer Maske, größer als ich (also 1,83 m plus), sei nachts in den Garten geschlichen und habe Pink Buddha enthauptet. Er habe es mit eigenen Augen gesehen, auf keinen Fall Herwi …

    Erschüttert und mit bebender Stimme habe ich Herwi Ihr Schreiben verlesen, er schweigt beharrlich zu den Vorwürfen. Ich kann ihn doch nicht zu einem Geständnis zwingen, Gartenstadt ist doch nicht Guantánamo.

    Trotz allem möchte ich mein Vertrauen in die Gattung der Öko-Kunststoffkomposter nicht verlieren. Eindringlich bekenne ich daher öffentlich: Selbst wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch einen Kunststoffkomposter in den Garten setzen.

    Viele Grüße aus meinem vorderpfälzischen Nirwana-Ressort

    Markus Maesel

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Kommentar: